Formfehler bei Verordnungen begründen Regressansprüche

Mit Urteil vom 27. August 2025 – B 6 KA 9/24 R – hat das Bundessozialgericht (BSG) eine Entscheidung getroffen, die für Vertragsärzte und Medizinische Versorgungszentren weitreichende Konsequenzen hat.


Der Fall

Im zugrunde liegenden Fall hatte ein niedergelassener Facharzt für Kardiologie über mehrere Jahre Sprechstundenbedarf mit einem Unterschriftenstempel statt einer eigenhändigen Unterschrift verordnet. Obwohl die verordneten Leistungen medizinisch notwendig und korrekt waren, setzte der Berufungsausschusses der Ärzte und Krankenkassen in Hessen auf Antrag der Krankenkasse einen Regressbescheid in Höhe von rund 490.000 Euro fest. Das Vorliegen eines normativen Schadens wurde sowohl vom zuständigen Sozialgericht in erster Instanz als auch im Rahmen der Sprungrevision des Arztes vom BSG bekräftigt.
 

Die Entscheidung

Das BSG bestätigt in seinem Urteil das Vorliegen eines normativen Schadens der Krankenkasse im Sinne des § 48 Abs. 1 des Bundesmantelvertrags-Ärzte (BMV-Ä) in Höhe des festgesetzten Regressbescheides und stellt klar, dass für die Wirtschaftlichkeit der Verordnung die persönliche Unterschrift oder eine qualifizierte elektronische Signatur zwingende Voraussetzungen sind. Verordnungen mit einem Unterschriftenstempel böten keine Gewähr für die Richtigkeit und vor allem für die Sicherheit der Auswahl der verordneten Arzneimittel. Der Kardiologe habe durch die Nutzung des Unterschriftstempels die für Vertragsärzte bestehende Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung verletzt und auch schuldhaft gehandelt. Die Regularien hätten ihm bekannt sein müssen und er hätte nicht eigenmächtig davon abweichen dürfen. Ob die Versorgung medizinisch erforderlich und korrekt war, sei bei der Feststellung des sonstigen Schadens unerheblich.

Die Festsetzung des Regresses sei auch weder treuwidrig noch unverhältnismäßig. Die Regresshöhe entspreche der Summe der unrichtig ausgestellten Sprechstundenbedarfsverordnungen.
 

Fazit

Die Entscheidung des BSG verdeutlicht, dass formale Anforderungen im Vertragsarztrecht nicht nebensächliche Bürokratie sind, sondern rechtlich bindende Voraussetzungen. Eine Nichteinhaltung kann erhebliche finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) fordert bereits eine gesetzliche Klarstellung, wonach bei Regressen eine Differenzkostenberechnung erfolgen soll – also nur der tatsächliche Schaden ersetzt werden muss, der durch unwirtschaftliches Verhalten entstanden ist. Bis zu einer möglichen gesetzlichen Klarstellung gilt: Insbesondere Fachrichtungen mit hohem Verordnungsvolumen sollten ihre Praxisorganisation und ihre internen Abläufe kritisch überprüfen und gegebenenfalls anpassen, um Verordnungsformalitäten jederzeit sicherzustellen und Regressrisiken zu vermeiden. 

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