Fehlende Inobhutnahmeplätze – Krankenhäuser zwischen sozialer Verantwortung und Abrechnungsnot

Kinder in Krisensituationen werden zunehmend vom Jugendamt oder den Polizeibehörden aufgrund fehlender Kapazitäten der Inobhutnahme-Stellen kurzerhand in eine Klinik verbracht. Oft handelt es sich dabei um Kinder mit Weglauftendenzen und gravierenden Verhaltensauffälligkeiten wie fremdaggressivem Verhalten, so dass anfänglich durchaus eine Indikation für eine medizinisch therapeutische Krankenhausbehandlung gegeben sein mag. Eine weitere anzutreffende Fallkonstellation ist die, dass Kinder im Anschluss an einen erforderlichen stationären Aufenthalt aufgrund gravierender Defizite der Erziehungsfähigkeit der Eltern nicht nach Hause entlassen werden können. Es häufen sich daher die Fälle, in denen Kinder über ihre Behandlungsbedürftigkeit hinaus – nicht selten über Monate hinweg – im Krankenhaus verbleiben, weil das Jugendamt in dem Bemühen, einen geeigneten Platz oder eine Intensivmaßnahme für das Kind zu finden, bislang erfolglos geblieben ist.

Für die betreffenden Krankenhäuser wird die Lage problematisch, sobald die Behandlungsbedürftigkeit des Kindes entfällt und die Krankenkasse sich völlig zu Recht weigert, dem versicherten Kind die vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren. Reicht nämlich nach den Krankheitsbefunden eine ambulante Therapie aus, so hat die Krankenkasse die Kosten eines Krankenhausaufenthaltes auch dann nicht zu tragen, wenn der Versicherte aus anderen Gründen eine spezielle Unterbringung oder Betreuung benötigt und wegen des Fehlens einer geeigneten Einrichtung vorübergehend im Krankenhaus bleiben muss.

Wiederholt sind entsprechende Klagen von Krankenhäusern auf Kostenerstattung von den Verwaltungsgerichten abgewiesen worden. Selbst wenn man auf die Idee käme, den Verbleib des Kindes in der Klinik inhaltlich als Sonderform einer Hilfe zur Erziehung im Sinne von §§ 27 ff. SGB VIII zu werten, fehlte es regelmäßig an einem im Vorfeld der Leistungserbringung gestellten Antrag auf Gewährung der jugendhilferechtlichen Hilfe zur Erziehung. Antragsberechtigt sind dabei ausschließlich die Eltern des Kindes oder der gerichtlich bestellte Amtsvormund, nicht aber das Krankenhaus.

Problematisch wird es hinsichtlich der Kosten auch dann, wenn der stationäre Aufenthalt auf den ersten Blick zwar als jugendhilferechtliche Inobhutnahme gewertet wird, bei genauerer Prüfung die rechtlichen Voraussetzungen einer solchen jedoch nicht vorliegen. Zunächst muss bereits rein begrifflich das Tätigwerden einer Behörde gegenständlich gewesen sein. Des Weiteren bedarf es einer dringenden Gefahr für das Wohl des Kindes. Wenn zu keinem Zeitpunkt eine prognostische Einschätzung dazu führen würde, dass bei ungehindertem Ablauf des zu erwartenden Geschehens der Eintritt eines Schadens beim Kind hinreichend wahrscheinlich wäre, ist eine dringende Gefahr für das Kind zu verneinen. Eine solche Gefährdung würde möglicherweise begründet werden, wenn das Krankenhaus sich weigerte, das nicht behandlungsbedürftige Kind weiter zu versorgen. So ist die Jugendhilfe dann zur Übernahme der Kosten für die Krankenhausunterbringung verpflichtet, wenn der weitere Verbleib des Kindes im Krankenhaus nur deshalb noch vorübergehend erfolgt, weil eine drohende Obdachlosigkeit bzw. Schutzlosigkeit des Kindes und damit eine Gefahr für das Kindeswohl abzuwenden ist.
 

Fazit

Abgesehen davon, dass es dem Wohl eines Kindes nicht zuträglich sein dürfte, über einen längeren Zeitraum unnötigerweise in einen Klinikalltag eingebunden zu sein, und ein nicht mehr behandlungsbedürftiges Kind gegebenenfalls einen Platz für ein hilfebedürftiges Kind blockiert, kann es nicht Aufgabe der Krankenhäuser sein, als vollstationäre Ersatzeinrichtungen zu fungieren. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe hat hier seine Pflichtaufgaben gemäß § 79 SGB VIII zu erfüllen und die erforderlichen und geeigneten Einrichtungen entsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung zu stellen. Von dieser gesetzlichen Pflicht entbindet die Kommune auch nicht der Hinweis auf den unbestritten vorhandenen Fachkräftemangel oder andere vergleichbare Schwierigkeiten.

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