Fachklinik oder Allgemeinversorger? Auswahl bei der Aufnahme in den Krankenhausplan Nordrhein-Westfalen

Zu den landeseigenen Zielen der Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen zählt eine vorrangige Berücksichtigung von Allgemeinkrankenhäusern mit Grundversorgung gegenüber Fachkliniken. Es lohnt daher, sich mit den rechtlichen Vorgaben bei Auswahlentscheidungen zu beschäftigen, die die Konkurrenz zwischen Fachkliniken und Allgemeinkrankenhäusern betreffen. Die Ausführungen dazu müssen sich im hiesigen Rahmen selbstverständlich darauf beschränken, gewisse Aspekte anzureißen. Es geht allein darum, ein gewisses Problembewusstsein zu schaffen.


1. Struktur

Um in den Krankenhausplan aufgenommen und damit zur Behandlung gesetzlich Versicherter und Teilnahme an der Investitionsförderung der Länder berechtigt zu sein, müssen Krankenhäuser bekanntlich die beiden Planungs- und Entscheidungsstufen durchlaufen. Die Entscheidung, ob Fachkliniken oder Allgemeinkrankenhäuser mit Grundversorgung, bevorzugt werden, trifft das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. Diese Versorgungsentscheidung wird von der zuständigen Bezirksregierung durch den Erlass des Feststellungsbescheides gegenüber dem Krankenhausträger rechtswirksam umgesetzt.
 

2. Kriterien der Auswahlentscheidung

Regelmäßig kommt es wegen weitgehender Überversorgung zu einer Konkurrenzsituation zwischen Fachkliniken und Allgemeinkrankenhäusern mit Grundversorgung. Selbst wenn die Fachkliniken also prinzipiell geeignet sind, den vom Ministerium ermittelten medizinischen Versorgungsbedarf an Krankenhausleistungen im konkreten Fachgebiet zu decken, heißt dies bekanntermaßen nicht, dass sie in den Krankenhausplan aufgenommen werden. Es findet eine Auswahlentscheidung statt, deren Kriterien dem Ministerium - sowie der Bezirksregierung – gesetzlich vorgegeben werden (vgl. § 8 Abs. 2 S. 2 KHG). Es sind die vier Planaufnahmekriterien zu prüfen, also die Bedarfsgerechtigkeit, die Leistungsfähigkeit, die Wirtschaftlichkeit und die Qualität. Zudem ist die Trägervielfalt als zusätzlich zu beachtendes Kriterium vorgesehen, allerdings nur bei gleichwertiger Qualität der betreffenden Krankenhausleistungen. Darüber hinaus sind auch die landeseigenen krankenhausplanerischen Ziele bedeutsam. Diese Kriterien müssen schlussendlich die Abwägungsentscheidung, die dabei den konkreten Einzelfall (!) zu beurteilen hat, bestimmen. 
 

3. Privilegierung von Allgemeinversorgern?

Eine (rechtmäßige) Auswahlentscheidung nach diesen Maßstäben, die zudem den konkreten Einzelfall zu beurteilen hat, läge zwangsläufig nicht vor, wenn Allgemeinkrankenhäuser mit Grundversorgung generell gegenüber Fachkliniken privilegiert werden würden. Insofern ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch geklärt, dass sich eine generelle Privilegierung gegenüber Fachkliniken schon einfach-gesetzlich verbietet. Auch verfassungsrechtlich verbietet sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angesichts des Rechts auf gleiche Planteilhabe, eine generelle Privilegierung von Krankenhäusern mit somatischer Grundversorgung.

Umgekehrt heißt dies wiederum nicht, dass eine Privilegierung nicht rechtmäßig erfolgen kann. Die sogenannte „Bestenauslese“ verlangt aber eine konkrete Abwägung des Einzelfalls (!). Zu ermitteln sind die konkreten Vorteile, die für das Allgemeinkrankenhaus mit Grundversorgung streiten. Weiter ist maßgeblich, dass die gesetzlich bestimmten Kriterien auch unter dem Aspekt der Vorzüge geprüft werden, die eine spezielle fachklinische Versorgung bietet (z.B. besondere Qualität oder Leistungsfähigkeit?). Hier sind, dies kann nicht oft genug betont werden, keine Generalisierungen gefragt, sondern es muss z.B. das konkrete Fachgebiet und seine etwaigen Besonderheiten in den Blick genommen werden.
 

4. Planungsziele in Nordrhein-Westfalen 

So heißt es für das Verhältnis zwischen Fachklinik und Allgemeinkrankenhaus mit Grundversorgung im Krankenhausplan NRW (2022, S. 42 f.):

 „Grundsätzlich sollte die spezialisierte Versorgung primär in Allgemeinkrankenhäusern mit breitem Leistungsspektrum angeboten werden. Allgemeinkrankenhäuser sind aufgrund der interdisziplinären Ausstattung in der Lage, auch komplementär auftretende Krankheitsbilder zu versorgen. (…) In erster Linie ist eine flächendeckende Grundversorgung sicherzustellen. Steht also eine Auswahlentscheidung bezüglich der Verteilung eines Versorgungsauftrags einer Leistungsgruppe zwischen zwei Krankenhäusern aus und nur ein Krankenhaus bietet die umfassende Grundversorgung an, die ohne diesen Anbieter nicht flächendeckend gewährleistet ist, ist diesem Krankenhaus der Versorgungsauftrag zu gewähren. Der Fachklinik kann der Versorgungsauftrag erteilt werden, wenn die Grundversorgung sichergestellt ist, ggf. eine Kooperation beider Anbieter besteht und die spezialisierte Versorgung durch die Fachklinik besonders leistungsfähig und medizinisch sinnvoll ist.“

Somit ist dem Krankenhausplan Nordrhein-Westfalen zu entnehmen, dass die Bevorzugung von Grundversorgern vor allem vor dem Hintergrund der Erwägung stattfinden soll, komplementär auftretende Krankheitsbilder zu versorgen, wobei damit auch geringere Verlegungszahlen angestrebt werden, vgl. S. 43:

„Beim Vergleich der Versorgungsformen sind mögliche Verlegungen der Patientinnen und Patienten in ein anderes Krankenhaus aufgrund fehlender Diagnostik- und Therapiemaßnahmen besonders zu berücksichtigen.“

Die sachliche Tragfähigkeit der o.g. Argumente unterstellt, ist z.B. zu hinterfragen, ob die Versorgung komplementärer Krankheitsbilder und die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen für die Fachklinik und ihr medizinisches Versorgungsspektrum überhaupt bedeutsam ist. Ebenso zu fragen ist, ob das Allgemeinkrankenhaus mit Grundversorgung von seiner konkreten Versorgungsstruktur her in Bezug auf das betreffende Fachgebiet tatsächlich den Vorteil bietet, komplementär auftretende Krankheitsbilder zu versorgen und somit die Verlegungszahlen auch zu reduzieren.
 

5. Fazit

Die Auswahlentscheidung bei der Konkurrenz von Fachkliniken und Allgemeinversorgern rechtmäßig vorzunehmen, ist rechtlich durchaus anspruchsvoll, zumal bei der insgesamt hohen Zahl an Versorgungsentscheidungen, die das Ministerium derzeit zu treffen hat. An einer hinreichenden Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls führt jedoch kein Weg vorbei. Bei einem Konkurrenzverhältnis zwischen Fachkliniken und Allgemeinversorgern läuft es andernfalls schnell auf eine generelle Privilegierung von Allgemeinversorgern hinaus, die jedoch, und das ist rechtlich geklärt, unzulässig ist. Sollten Fachkliniken Ende des Jahres ablehnende Feststellungsbescheide erhalten, sollten sie prüfen, ob die individuellen Vorteile, die die Versorgung durch die Fachklinik bietet, hinreichend berücksichtigt worden sind.

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