Der katholische und nach katholischem Ritus verheiratete Kläger ist seit 2000 bei einem katholischen Krankenhaus in Düsseldorf als Chefarzt für Innere Medizin beschäftigt. Im Jahr 2005 trennte sich seine Ehefrau von ihm. Die Ehe wurde im Jahr 2008 zivilrechtlich geschieden. Im gleichen Jahr heiratete der Kläger erneut standesamtlich, ohne dass seine erste Ehe kirchenrechtlich für nichtig erklärt worden war. Das Krankenhaus hatte hiervon spätestens im März 2009 Kenntnis und kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2009.
Nachdem das Arbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 30. Juli 2009 – 6 Ca 2377/09) und das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 1. Juli 2010 – 5 Sa 996/09) der hiergegen vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage stattgegeben hatten, bestätigte das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 8. September 2011 – 2 AZR 543/10) das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf im Wesentlichen mit der Begründung, dass die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung nicht gerechtfertigt sei, da das Krankenhaus nichtkatholischen Arbeitnehmern, die dieselbe Art von Dienstposten wie der Kläger innehätten, bei Wiederheirat nicht kündige.
Hiergegen erhob das Krankenhaus Verfassungsbeschwerde. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12) hob das Urteil auf und verwies die Sache zurück an das Bundesarbeitsgericht. Das Bundesarbeitsgericht (Vorlagebeschluss vom 28 Juli 2016 – 2 AZR 746/14 (A)) wiederum legte die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vor, da nach seiner Ansicht die Entscheidung über den Ausgangsrechtsstreit davon abhängt, ob die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung im Hinblick auf§ 9 Abs. 2 AGG zulässig sei. Diese Bestimmung sei im Einklang mit dem Unionsrecht auszulegen, insbesondere im Hinblick auf Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78, der durch § 9 Abs. 2 AGG in nationales Recht umgesetzt worden sei.
Nach dem Urteil des EuGH vom 11. September 2018 – C 68/17 – ist Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78 für Kirchen dahingehend auszulegen, dass
- eine Kirche, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen beruht und die eine in Form einer privatrechtlichen Kapitalgesellschaft gegründete Klinik betreibt, nicht beschließen kann, an ihre leitend tätigen Beschäftigten je nach deren Konfession oder Konfessionslosigkeit unterschiedliche Anforderungen an das loyale und aufrichtige Verhalten im Sinne dieses Ethos zu stellen, ohne dass dieser Beschluss gegebenenfalls Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein kann, damit sichergestellt wird, dass die in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie genannten Kriterien erfüllt sind, und
- bei Anforderungen an das loyale und aufrichtige Verhalten im Sinne des genannten Ethos eine Ungleichbehandlung zwischen Beschäftigten in leitender Stellung je nach deren Konfession oder Konfessionslosigkeit nur dann mit der Richtlinie im Einklang steht, wenn die Religion im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine berufliche Anforderung ist, die angesichts des Ethos der in Rede stehenden Kirche wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, was das na-tionale Gericht zu prüfen hat.
Dieses Urteil führt die Entscheidungsgründe des EuGH-Urteils vom 17. April 2018 (Rs. C-414/16 – Egenberger) fort. Das nationale Gericht muss bestimmen, ob eine Anforderung, sich loyal und aufrichtig zu verhalten, die nur an diejenigen Beschäftigten in leitender Stellung gestellt wird, die derselben Religion angehören, auf der das Ethos der betreffenden Kirche beruht, einer wesentlichen, rechtmäßigen und gerechtfertigten beruflichen Anforderung im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78 entspricht. Zwar hat der Kläger gegen den heiligen und unauflöslichen Charakter der kirchlichen Eheschließung verstoßen. Der EuGH ist aber der Auffassung, dass unter Berücksichtigung der vom Kläger ausgeübten beruflichen Tätigkeiten, nämlich Beratung und medizinische Pflege in einem Krankenhaus und Leitung der Abteilung „Innere Medizin“ als Chefarzt, die Akzeptanz dieses Eheverständnisses für die Bekundung des Ethos des Krankenhauses nicht notwendig erscheint. Das Krankenhaus habe nämlich vergleichbare Stellen Mitarbeitern anvertraut, die nicht der katholischen Konfession angehören und folglich nicht derselben Anforderung, sich loyal und aufrichtig im Sinne des Ethos des Krankenhauses zu verhalten, unterworfen sind.
Fazit
Es muss damit gerechnet werden, dass das Bundesarbeitsgericht erneut die Kündigung für unwirksam erachten wird. Ob dann erneut Verfassungsbeschwerde erhoben wird, bleibt abzuwarten. In einem solchen Fall könnte eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dem Urteil des EuGH entgegenstehen. Ferner wird aus dem Urteil des EuGH auch deutlich, dass Kirchen Loyalitätsobliegenheiten von ihren Angestellten einfordern können, hierbei aber konsequent sein müssen. Wenn kirchliche Träger auf ähnlichen Stellen Mitarbeiter mit anderer Konfessionszugehörigkeit beschäftigen oder gar Konfessionslose, wird es schwierig, sich auf Loyalitätsobliegenheiten zu berufen. Schließlich bleibt nur noch der Hinweis, dass es nach Änderung der Grundordnung im Jahr 2015 sehr wahrscheinlich erst gar nicht zu einer Kündigung des Klägers gekommen wäre.