Erstattungsansprüche aus Umsatzsteuer im Insolvenzverfahren

Die Finanzbehörden haben bei der Realisierung ihrer Steuerforderung als Insolvenzgläubiger häufig das Nachsehen. Mitunter profitiert der Fiskus neben gesetzlichen Privilegierungen jedoch von der Möglichkeit einer Aufrechnung. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte über die Aufrechnungsmöglichkeit aus einer Umsatzsteuererstattung in der Insolvenz zu entscheiden (Urteil vom 15. Oktober 2019 – V

Umsatzsteuer im Insolvenzverfahren: Steuerforderungen und Erstattungsansprüche

 

Die Finanzbehörden haben bei der Realisierung ihrer Steuerforderung als Insolvenzgläubiger häufig das Nachsehen. Mitunter profitiert der Fiskus neben gesetzlichen Privilegierungen jedoch von der Möglichkeit einer Aufrechnung. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte über die Aufrechnungsmöglichkeit aus einer Umsatzsteuererstattung in der Insolvenz zu entscheiden (Urteil vom 15. Oktober 2019 – VII R 31/17). Die Aufrechnungslage stand im Zusammenhang mit einer zunächst unerkannten umsatzsteuerlichen Organschaft.

Forderungen aus Umsatzsteuervorauszahlungen

Im Dezember 2011 wurde über das Vermögen einer GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Finanzamt – der Beklagte – meldete sodann Forderungen aus Umsatzsteuervorauszahlungen für den Monat September 2011 sowie der Umsatzsteuer für das Jahr 2011 zur Tabelle an. In der Folgezeit stellte das Finanzamt eine zunächst unerkannte umsatzsteuerliche Organschaft mit einer Einzelunternehmung als Organträger und der insolventen GmbH als Organgesellschaft fest.

Das Finanzamt widerrief im Mai 2014 gegenüber der Organgesellschaft die Feststellungsbescheide über die Umsatzsteuervorauszahlung für September 2011 und die Umsatzsteuer 2011 in Höhe von insgesamt rund 120.000 €. Es verrechnete diesen Anspruch zugunsten der Insolvenzmasse im Wege einer Umbuchungsmitteilung mit einem Anspruch des Finanzamts aus einer umsatzsteuerlichen Haftungsschuld für die Steuerverbindlichkeiten des Organträgers. Die Haftungsschuld bezog sich auf einen Zeitraum vor Insolvenzeröffnung.

Der Kläger und Insolvenzverwalter über das Vermögen der Organgesellschaft betrachtete die Aufrechnungsmöglichkeit als unzulässig und begehrte die Feststellung eines Steuerguthabens zugunsten der Organgesellschaft in Höhe von ca. 120.000 €. Das Finanzamt betrachtete die Aufrechnung mit der Steuerschuld des Organträgers als zulässig und verneinte insofern ein Steuerguthaben. Während des Verfahrens verstarb der Kläger und Insolvenzverwalter; mit Beschluss des Insolvenzgerichts wurde ein Kläger und Insolvenzverwalter bestellt, der Prozess konnte fortgesetzt werden.

Die Entscheidung des BFH

Der BFH entschied zugunsten der Finanzverwaltung und bejahte die Möglichkeit einer Aufrechnung. Ein Verstoß gegen ein gesetzliches Aufrechnungsverbot sei nicht gegeben. Die Aufrechnung gilt gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO als unzulässig, sofern der Insolvenzgläubiger erst nach Insolvenzverfahrenseröffnung etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Gemeint ist damit, dass die Aufrechnung nur dann wirksam ist, wenn die Anspruchsentstehung zugunsten der insolventen Gesellschaft zeitlich vor Insolvenzeröffnung zu verorten ist.

Der BFH entschied, dass der Rückforderungsanspruch aus der „überhöhten“ Umsatzsteuervorauszahlung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Zwar widerrief das Finanzamt die Feststellungsbescheide zur Umsatzsteuervorauszahlung für September 2011 im Mai 2014 und damit lange nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dadurch dokumentierte es den bezeichneten Rückforderungsanspruch erstmalig.

Gleichwohl sieht der BFH den Anspruch zugunsten der Organgesellschaft als zeitlich bereits vor Insolvenzeröffnung begründet. Die Voraussetzungen des betreffenden Erstattungsanspruchs hätten sich nach steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht. Der Rückforderungsanspruch entstehe zeitlich bereits mit Entrichtung der Vorauszahlung unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des Besteuerungszeitraums die geschuldete Steuer geringer sei als die Vorauszahlung. Der Rechtsgrund für den Rückzahlungsanspruch sei somit bereits in der Leistung der Vorauszahlung angelegt.

Der Bundesfinanzhof stellte darüber hinaus unmissverständlich klar, dass verfahrensrechtliche Festsetzungen sowie Änderungen und Aufhebungen des Erstattungsanspruchs die insolvenzrechtliche Entstehung im vorgenannten Sinne nicht tangierten. Die Bundesrichter teilten auch dem Aufrechnungsverbot aufgrund von § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO eine Absage. Demnach ist eine Aufrechnung auch dann unzulässig, wenn der Insolvenzgläubiger eine Zahlung durch eine Rechtshandlung erlangt hat, die einer Insolvenzanfechtung unterliegt. Die Insolvenzanfechtung sieht differenzierte Voraussetzungen vor, zum Beispiel die Kenntnis von Umständen des Insolvenzgläubigers, die auf die Insolvenzreife des Unternehmens schließen lassen.

Der Bundesfinanzhof ist der Ansicht, dass der Kläger und Insolvenzverwalter nicht genügend zum Sachverhalt vorgetragen habe, sodass sich die Anfechtbarkeit der Zahlung und damit das entsprechende Aufrechnungsverbot nach § 96 Abs.1 Nr. 3 InsO nicht habe belegen lassen.

Fazit Umsatzsteuer im Insolvenzverfahren

Die Möglichkeit einer Aufrechnung stellt für „nicht privilegierte/normale Insolvenzgläubiger“ oft einen „Rettungsanker“ dar, um nicht auf die in vielen Fällen sehr geringe Insolvenzquote verwiesen zu werden. Ziel des Insolvenzverwalters ist es hingegen, eine Aufrechnung zu vermeiden und damit die Insolvenzmasse zugunsten der Gläubigergesamtheit zu wahren. Die Perspektive einer vorzugswürdigen Sicherung der Insolvenzmasse nehmen auch die Leitungsorgane einer Körperschaft ein, wenn sie eine Unternehmenssanierung zum Beispiel im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung sowie des häufig damit im Zusammenhang stehenden Insolvenzplanverfahrens anstreben. Das BFH-Urteil zeigt, dass die Zulässigkeit einer Aufrechnung im Zusammenhang mit einer Insolvenz häufig schwer zu beurteilen ist. Stets ist es erforderlich, den Sachverhalt juristisch eingehend zu würdigen.

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