Der Fall
Die seit 2019 als besondere Vertreterin zur Geschäftsführerin berufene Klägerin war auf der Grundlage einer satzungsrechtlichen Regelung sowie eines Geschäftsführervertrages mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 3.800,00 Euro beim beklagten gemeinnützigen Verein beschäftigt. Ihre Vertretungsmacht umfasste dabei die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung des Vereins. Ausgenommen waren unter anderem Grundstücksgeschäfte sowie Anschaffungen und Investitionen über 10.000,00 Euro. Ihre Befugnisse in Personalangelegenheiten erstreckten sich auf die Einstellung, Abmahnung, Entlassung oder Höhergruppierung von Mitarbeitern ab einem Bruttomonatslohn von 2.000,00 Euro. Die Klägerin unterstand den Weisungen des Vorstandes. Nachdem sie im August 2023 ein Kind zu Welt gebracht hatte, beantragte die Klägerin Elternzeit. Der beklagte Verein kündigte ihr daraufhin das Anstellungsverhältnis und widerrief die ihr erteilte Vollmacht. Mit ihrer zum Arbeitsgericht erhobenen Klage berief sich die Klägerin auf die Unwirksamkeit der Kündigung und verlangte eine angemessene Entschädigung, weil ihre Mutterschaft das Hauptmotiv für die Kündigung gewesen und sie deshalb wegen ihres Geschlechts diskriminiert worden sei. Das angerufene Arbeitsgericht erklärte den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht. Das von der Klägerin angerufene Landesarbeitsgericht sah dies anders und erklärte den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für eröffnet. Diese Entscheidung ist schließlich vom Bundesarbeitsgericht im Revisionsverfahren bestätigt worden.
Die Entscheidung
In seiner Begründung stellt das BAG zunächst heraus, dass die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis sowie über das Bestehen und oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses sind. Als Arbeitnehmer gelten hingegen nicht Personen, die per Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung zur Vertretung der juristischen Person berufen sind.
Hierzu zählt der vereinsrechtliche besondere Vertreter, der kraft der Vereinssatzung mit organschaftlicher Vertretungsmacht ausgestattet wird. In dem ihm zugewiesenen Geschäftskreis ist der besondere Vertreter hinsichtlich sämtlicher Rechtsgeschäfte vertretungsbefugt. Um zu vermeiden, dass Mitglieder der Vertretungsorgane mit der juristischen Person einen Rechtstreit im „Arbeitgeberlager“ vor dem Arbeitsgericht führen, sind für derartige Streitigkeiten die ordentlichen Gerichte zuständig. Da vorliegend jedoch mit dem Kündigungsschreiben des Vereins gleichzeitig der Widerruf der erteilten Vollmacht erklärt wurde, entfiel bereits vor Klageerhebung die Stellung der Klägerin als satzungsmäßiges Organ des Vereins und eröffnete den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen. Das Gericht hatte nun zu erörtern, ob es sich bei der Klägerin um eine sogenannte arbeitnehmerähnliche Person handelt.
Arbeitnehmerähnliche Personen sind Selbständige, die dennoch als Arbeitnehmer gelten. Sie unterscheiden sich von Arbeitnehmern durch den Grad der persönlichen Anhängigkeit. Meist sind arbeitnehmerähnliche Personen infolge geringerer Weisungsgebundenheit und Eingliederung in die betriebliche Organisation in wesentlich geringerem Maße abhängig als Arbeitnehmer. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist zu klären, ob die wirtschaftliche Abhängigkeit sowie die gesamte soziale Stellung der Klägerin mit der eines Arbeitnehmers vergleichbar sind und zu sozialer Schutzbedürftigkeit führen. Vorliegend war die Klägerin vom beklagten Verein wirtschaftlich abhängig, da die Tätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und die hierdurch erzielten Einkünfte in Höhe von 3.800,00 Euro ihre Existenz sicherten und in Anbetracht ihres Tätigkeitsumfangs davon ausgegangen werden kann, dass sie keiner weiteren wesentlichen Beschäftigung nachging. Das Gericht bewertete ebenfalls die Frage nach der sozialen Schutzbedürftigkeit der Klägerin positiv. Ihre vertragliche Weisungsgebundenheit und beschränkte Vollmacht sei nicht in einer Weise im Arbeitgeberlager zu verorten, die eine Arbeitnehmerähnlichkeit ausschließt. Die Klägerin war zwar zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung berufen, hinsichtlich ihrer Vertretungsmacht jedoch stark begrenzt, da eine Vielzahl von Geschäften ausgenommen und auch ihre Befugnisse in Personalangelegenheiten lediglich eingeschränkt von ihr wahrgenommen werden durften. Insgesamt besteht eine Vergleichbarkeit mit einer Angestellten in leitender Funktion, was sich nicht zuletzt in der Höhe der monatlichen Vergütung von 3.800,00 Euro widerspiegelt.
Praxis-Hinweise
Vereine sollten diese Problematik bei der Ausgestaltung des Umfangs der Vertretungsmacht des besonderen Vertreters sowie im Rahmen der vertraglichen Gestaltung des Geschäftsführervertrages im Hinterkopf behalten. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass mit dem Widerruf der Vollmacht die organschaftliche Stellung entfällt und dem besonderen Vertreter sodann der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet sein kann.