Eilanträge von Krankenhäusern zur neuen Krankenhausplanung in NRW: Eine erste Bilanz zur Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte

Nachdem die Bezirksregierungen in NRW den Krankenhäusern kurz vor Weihnachten 2024 verbindlich mitgeteilt haben, welche medizinischen Leistungen sie seit dem 1. April 2025 - vorbehaltlich teilweise bestehender Übergangsregelungen - aufgrund der neuen Krankenhausplanung nicht (mehr) erbringen dürfen, wehren sich seither nicht wenige Krankenhäuser juristisch. Gegen ihre Feststellungsbescheide haben Krankenhausträger 93 Klagen und 44 Eilanträge gegen das Land NRW bei den Verwaltungsgerichten in NRW eingereicht (MAGS NRW, Stand: 31. März 2024, 11.00 Uhr). Nachfolgend eine erste Bilanz zu den in der Zwischenzeit ergangenen und veröffentlichten Entscheidungen der Verwaltungsgerichte im Zuge der Eilverfahren.


Erfolgsquote: Land NRW versus Krankenhäuser?

Krankenhäuser haben sich teils erfolgreich gegen das Land NRW gewehrt, bestimmte medizinische Leistungen nicht mehr vornehmen zu dürfen. Auch wenn überwiegend die Verwaltungsgerichte zu dem Ergebnis gelangt sind, dass das Land NRW die Leistungsgruppen rechtsfehlerfrei auf die Krankenhäuser verteilt hat, sind viele Eilverfahren wegen eingelegter Beschwerden in ihrem (endgültigen) Ausgang offen. Die Krankenhäuser können also noch (weitere) Erfolge generieren. 

Sofortige Beschwerden beim OVG Münster: 37

Es handelt sich bei den erstinstanzlichen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte um „bloße“ Etappensiege, sofern sich der Unterlegene, also das Land NRW oder die Krankenhäuser, mit einer sofortigen Beschwerde wehrt. Das OVG NRW ist für den Eilrechtsschutz die zweite Instanz und trifft (nur) für die Eilverfahren die abschließenden Entscheidungen. Allerdings ist der Unterlegene trotz des Rechts der sofortigen Beschwerde in einer ungünstigeren Position als der Überlegene der ersten Instanz, weil sein Rechtsschutz nicht unerhebliche prozessuale Hürden mit sich bringt (siehe unten). Da die Krankenhäuser die vorläufigen Rechtsschutzverfahren in größerer Zahl verloren haben als das Land NRW, sind nun vor allem die Krankenhäuser mit diesen prozessualen Hürden konfrontiert.

Die gesetzlichen, nicht verlängerbaren, Fristen für die sofortige Beschwerde sind knapp: 2 Wochen für ihre Einlegung und 1 Monat für ihre Begründung. Wegen der prozessualen Besonderheiten ist die Begründung der Beschwerde für den Unterlegenen, und damit auch für die Rechtsanwälte, anspruchsvoll und von höherer Arbeitsintensität. Das Prozessrecht normiert spezifische Darlegungslasten und das OVG NRW prüft nur das, was vorgetragen wurde. Dabei muss die Begründung die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts fristgerecht (!) substantiiert angreifen und detailliert ausführen, warum sie tatsächlich oder rechtlich nicht zutreffen, welche rechtlichen Konsequenzen daraus folgen und welche Schlussfolgerungen zutreffend gewesen wären. 

„Bloße“ Etappensiege scheint es zahlreiche zu geben: Mit Stand vom 23. April 2025 sind beim OVG NRW 37 (!) sofortige Beschwerden eingegangen. Zu beneiden ist das OVG NRW nicht, selbst wenn die ein oder andere Beschwerde mangels Erfüllung der genannten Erfordernisse als unzulässig verworfen werden sollte. 
 

Zeitschiene

Der Obsiegende beim Verwaltungsgericht - überwiegend das Land NRW - ist nur so lange geschützt, wie das OVG NRW keine vom Verwaltungsgericht abweichende Entscheidung trifft. Unter der theoretischen Annahme, dass die 6 Verwaltungsgerichte in NRW ihre Entscheidungen zu den Eilverfahren der Krankenhäuser sämtlich getroffen und bis Ende März 2025 bekannt gegeben haben, müssten dem OVG NRW bis Ende April 2025 sämtliche Beschwerdebegründungen vorliegen. Im Durchschnitt entscheidet das Gericht innerhalb von 3 Monaten (= Informationsstand aus dem Jahr 2022) über sofortige Beschwerden. Dies zugrunde gelegt, lägen diese endgültigen Entscheidungen zu den Eilverfahren im August 2025 vor, vielleicht auch erst, wegen der Sommerferien in NRW, im September 2025.  
 

Hauptsacheverfahren

Die Entscheidung über die sofortige Beschwerde wiederum ist ebenfalls noch nicht die abschließende Entscheidung; sie schützt den Obsiegenden „nur“ bis zur endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren.

Die Hauptsacheverfahren, über die nach den Eilverfahren entschieden wird, befinden endgültig darüber, ob das Krankenhaus seine Leistungen in Zukunft (weiter) als Plankrankenhaus erbringen darf. Allerdings dürften sich nicht wenig Krankenhäuser dafür entscheiden, bei verlorenem Eilrechtsschutz vor dem OVG NRW auf die Durchführung des Hauptsacheverfahrens zu verzichten. Die Erfolgsaussichten im Hauptsachverfahren sind nach verlorenem Rechtsschutz im Eilverfahren in aller Regel gering. Zudem: Die Krankenhausplanung steht erst einmal, tatsächlich und rechtlich. Die geänderten Strukturen verfestigen sich und die Krankenhäuser stellen sich zwangsläufig auf die neuen Rahmenbedingen ein. Für das Hauptsacheverfahren durch alle 3 Instanzen (VG, OVG NRW, BVerwG), müsste zudem mit einer Verfahrensdauer von ca. 4 Jahren oder mehr gerechnet werden. 
 

Verteilung der gerichtlichen Verfahren auf die Verwaltungsgerichte

Die gerichtlichen Verfahren verteilen sich auf die Verwaltungsgerichte wie nachfolgend dargestellt (Stand: 23. April 2025). Die Zahlen beziehen sich auf die seit Dezember 2024 bei den Verwaltungsgerichten eingegangenen Verfahren; lediglich das VG Köln hat abweichend geantwortet (s. Tabelle).

Dabei war die konkrete Anzahl der beim VG Arnsberg und VG Düsseldorf eingegangen Eil- und Hauptsachverfahren bis zum Redaktionsschluss nicht zu ermitteln. Ohne diese beiden VG liegt die Gesamtzahl der Eilverfahren bei 20 und die der Hauptsacheverfahren bei 54. Der weit überwiegende Anteil an diesen Eil- und Hauptsacheverfahren dürfte beim VG Düsseldorf und nicht beim VG Arnsberg eingegangen sein. Vermutlich ist das VG Düsseldorf unter den 6 VG in NRW dasjenige mit den meisten Eil- und Hauptsacheverfahren. Dahinter dürften das VG Gelsenkirchen und das VG Köln folgen. 

 

Eilverfahren (Anzahl)

Hauptsacheverfahren (Anzahl)

Örtliche Zuständigkeit

 

 

 

 

VG Aachen

3

11

Stadt Aachen; Städteregion Aachen, Kreise Düren, Euskirchen, Heinsberg

 

VG Arnsberg

 

Zusammen mit VG Düsseldorf: 24

 

Mindestens: 6

Zusammen mit VG Düsseldorf: 39

Städte Hagen und Hamm;
Ennepe-Ruhr-Kreis, Hochsauerlandkreis, Märkischer Kreis, Kreise Olpe, Siegen-Wittgenstein und Soest

 

VG Düsseldorf

 

Zusammen mit VG Arnsberg: 24

Zusammen mit VG Arnsberg: 39

Städte Düsseldorf, Duisburg, Krefeld, Mönchengladbach, Mülheim an der Ruhr, Oberhausen, Remscheid, Solingen, Wuppertal;
Kreise Kleve, Mettmann, Rhein-Kreis Neuss, Viersen und Wesel

 

VG Gelsenkirchen

 

8

16

Städte Bochum, Bottrop, Dortmund, Essen, Gelsenkirchen, Herne;
Kreise Recklinghausen und Unna

 

VG Köln

 

5

 

(nur die bereits entschiedenen Eilverfahren) 

17

 

(nur die derzeit rechtshängigen Hauptsachverfahren)

Städte Bonn, Köln, Leverkusen;
Rhein-Erft-Kreis, Oberbergischer Kreis, Rheinisch-Bergischer Kreis, Rhein-Sieg-Kreis

 

VG Minden

 

2

7

Stadt Bielefeld;
Kreise Gütersloh, Herford, Höxter, Lippe, Minden-Lübbecke, Paderborn

 

VG Münster

2

3

Stadt Münster
Kreise Borken, Coesfeld, Steinfurt, Warendorf

 


Unterschiede bei den Verwaltungsgerichten

Interessant ist ein Blick auf die Entscheidungen der verschiedenen Verwaltungsgerichte im Eilrechtsschutz, von denen in NRW seit Februar 2025 zahlreiche ergangen sind.

Zunächst fällt zahlenmäßig auf, dass das VG Düsseldorf mehrere Eilanträge von Krankenhäusern abgelehnt hat, während ihnen das VG Gelsenkirchen bei (wohl) vier Eilanträgen vorläufig recht gegeben hat. 

Denjenigen Krankenhäusern, die sich erfolgreich gewehrt haben, ist vom Verwaltungsgericht bestätigt worden, dass sich das Land NRW bei der Verteilung der Leistungsgruppen auf bestimmte Erwägungen gestützt hat, die sie in ihren Rechten verletzt. Sie können vorerst ihre Leistungen auf der Basis ihres früheren Feststellungsbescheides, der vor dem angegriffenen Feststellungsbescheid vom 16. Dezember 2024 erging, erbringen und abrechnen.
 

Eilentscheidungen zugunsten von Krankenhäusern

So lässt sich die Zuweisung an ein konkurrierendes Krankenhaus nicht auf eine Bündelung von Fallzahlen mehrerer Krankenhäuser desselben Trägers stützen, die diese Fallzahlen in der Vergangenheit unabhängig voneinander erbracht haben. So geht das VG Münster (Beschluss v. 27. März 2025, Az. 9 L 141/25, LG 14.3 Revision Hüftendoprothese und LG 14.4 Revision Knieendoprothese) davon aus, dass Fallzahlen als Kriterium für Routine und Behandlungsqualität prinzipiell sachgerecht sind, dieser Rückschluss jedoch aus einer solchen Fallzahlbündelung nicht gezogen werden kann. Ob das Land NRW gegen die Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt hat, ist diesseitig nicht bekannt.

Das VG Düsseldorf (Beschluss v. 26. März 2025, Az. 21 L 852/25, LG 21.3 Senologie) hält es für rechtswidrig, wenn das Land NRW auf der ersten Stufe die Erfüllung der Mindestvoraussetzung und die Leistungsfähigkeit des antragstellenden Krankenhauses offenlässt. Zudem dürfe kein Mindestkriterium aufgestellt werden, das auf eine bereits erfolgte Planzuweisung abstelle, die gerade erst erstrebt werde. Konkret ging es um das Erfordernis der Zertifizierung als Brustzentrum durch die Ärztekammer Westfalen-Lippe, das als zertifizierungsinternes Kriterium die Zuweisung der LG verlangt. Die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung auf Grundlage der Fallzahlen bezweifelte das VG Düsseldorf insoweit, weil auch hier eine Fallzahlzurechnung eines Mitbewerbers aufgrund einer Kooperation erfolgt war. Ob das Land NRW gegen die Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt hat, ist diesseitig ebenfalls nicht bekannt.

Das VG Gelsenkirchen (Beschluss v. 14. März 2025, Az. 18 L 374/25, LG. 16.4 Pankreaseingriffe) beanstandete an der Auswahlentscheidung des Landes NRW, dass sie die genannte LG, die auf Regierungsbezirksebene beplant wird, lokal zu stark in einer Stadt gebündelt habe. Regionale Mehrfachvorhaltungen in unmittelbarer räumlicher Nähe müssten nach dem KHP NRW 2022 vermieden werden. Dieser Grundsatz gilt und darf nicht mit dem Verweis auf die Planungsebene unberücksichtigt bleiben. Das Land NRW hat sofortige Beschwerde eingelegt (OVG NRW, Az. 13 B 288/25).

In einem weiteren Beschluss hat das VG Gelsenkirchen (13. März 2025, Az. 18 L 257/25, LG 7.2 Leukämie u. Lymphome, LG 16.4 Pankreaseingriffe) erneut das Argument der regionalen Verteilung stark gemacht. Zusätzlich hält es eine Konzentration der Zuweisung von LG auf wenige Krankenhäuser mit Fallzahlen, die deutlich über der beantragten Fallzahl liegt, für rechtswidrig. Dies gilt jedenfalls dann, wenn zugleich die Möglichkeit besteht, weitere leistungsfähige und -bereite Krankenhäuser auszuwählen. Auch diese Fragen werden endgültig durch das OVG NRW entschieden werden, weil das Land NRW sofortige Beschwerde eingelegt hat (OVG NRW, Az.13 B 404/25). 

 

Fazit

Die Rechtslage bleibt dynamisch, denn erst das OVG NRW wird im Zuge der Beschwerdeverfahren die Antworten auf die streitigen Rechtsfragen rund um die neue Krankenhausplanung in NRW entscheiden. Wir werden dazu weiter informieren.  

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