Der Fachausschuss Trendwatch des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) hat am 6. März 2024 ein Positionspapier mit dem Titel „Krankenhausfinanzierung auf dem Prüfstand – Auswirkungen aktueller Entwicklungen auf die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser“ herausgegeben, das sich unter anderem mit den möglichen Auswirkungen der Krise der Krankenhäuser auf den Jahresabschluss und den Lagebericht befasst. Es enthält unter anderem eine überschlägige Kalkulation der Betriebskostenunterfinanzierung, d. h. der unzureichenden Berücksichtigung der Inflation der Jahre 2022 und 2023 im Bundesbasisfallwert. Demnach beträgt die kumulative preisbedingte Finanzierungslücke – bezogen auf die Erlöse aus Krankenhausleistungen – 6,8 %.
Die Personal- und Sachkostensteigerungen (PK-/SK-Steigerungen) im Krankenhausbereich entsprechen indes nicht der im IDW-Positionspapier zugrunde gelegten jahresdurchschnittlichen Inflation in Deutschland. Vielmehr gibt der vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte sogenannte Orientierungswert die durchschnittliche jährliche prozentuale Veränderung der Krankenhauskosten und damit die branchenspezifische Inflation an. Da diese in den vergangenen Jahren (zum Teil deutlich) über der allgemeinen Inflation lag, ergeben sich nach Berücksichtigung des Pflegebudgets und der Energiehilfen überschlägig eine dauerhafte jährliche Finanzierungslücke von 4,7 % und eine kumulative preisbedingte Finanzierungslücke von 11,0 % (siehe Tabelle).
Dass sich diese Finanzierungslücke inzwischen gravierend auf die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser in Deutschland auswirkt, zeigen erste Auswertungen aus unserem Krankenhaus-Betriebsvergleich für das Geschäftsjahr 2024, in den insgesamt 230 Jahresabschlüsse einfließen werden, davon 170 Jahresabschlüsse konfessioneller und 60 Jahresabschlüsse kommunaler Krankenhäuser. Wir haben im Januar und Februar 2025 von den von uns geprüften Krankenhäusern Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung für das Geschäftsjahr 2024 erfasst. Demnach hat sich die Ertrags-, Vermögens- und Finanzlage der Kliniken im vergangenen Jahr im Durchschnitt nochmals deutlich verschlechtert (siehe Abbildung 1).
Das durchschnittliche Jahresergebnis der von uns geprüften Krankenhäuser war bereits in den Jahren vor Corona unzureichend. Im Jahr 2020 wurde mit den Corona-Hilfen das beste Jahresergebnis im 5-Jahreszeitraum erreicht: im Durchschnitt rund 1,5 Mio. EUR. Für das Jahr 2024 wird hingegen mit - 3,2 Mio. EUR ein Rekorddefizit erwartet.
Im abgebildeten neutralen Bereich werden vor allem außerordentliche und periodenfremde Aufwendungen und Erträge erfasst. Im Jahr 2020 – im Jahr des Corona-Schutzschirms – wurden wegen der vielfach (teilweise über mehrere Jahre) noch nicht abgeschlossenen Budgetvereinbarungen, der zusätzlichen Unsicherheit um das eingeführte Pflegebudget und der komplexen Ausgleichsregelungen entsprechend dem handelsrechtlichen Vorsichtsprinzip (Rückzahlungs-)Risiken über Rückstellungen oder Wertberichtigungen auf Forderungen bilanziert und belasteten damit den neutralen Bereich. Diese Risiken konnten in den folgenden Jahren weitgehend abgebaut werden, so dass die entsprechenden bilanziellen Vorsorgebeträge in den Jahresabschlüssen der Jahre 2022 bis 2024 in erheblichem Umfang ergebniswirksam „aufgelöst“ wurden. Ohne den periodenfremden bzw. außerordentlichen Ergebnisbeitrag, gespeist aus der Auflösung der bilanziellen Vorsorge aus der Vergangenheit, wäre das Jahresergebnis des durchschnittlichen Krankenhauses in unserem Betriebsvergleich bereits ab dem Geschäftsjahr 2022 signifikant negativ gewesen.
Das operative Ergebnis bildet das um außergewöhnliche und periodenfremde Erträge und Aufwendungen bereinigte Jahresergebnis ab und entwickelte sich bereits ab dem Jahr 2022 sehr negativ. Der prognostizierte operative Fehlbetrag in Höhe von - 5,1 Mio. EUR im Jahr 2024 entspricht einer operativen Umsatzrendite (= operatives Jahresergebnis/Umsatzerlöse) von - 5,0 %. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass im operativen Ergebnis 2024 noch Energiehilfen in Höhe von rund 1,0 Mio. EUR für die ersten vier Monate des Jahres 2024 enthalten sind, die ab dem Geschäftsjahr 2025 vollständig entfallen.
Das EBITDA bzw. die Innenfinanzierungskraft der in unseren Betriebsvergleich einbezogenen Krankenhäuser hat sich im Zeitraum 2020 bis 2024 ebenfalls sukzessive verschlechtert. Das gleiche gilt für die EBITDA-Marge, d. h. das Verhältnis des EBITDA zu den Umsatzerlösen. Die durchschnittliche EBITDA-Marge ist im Geschäftsjahr 2024 mit prognostizierten - 1,7 % erstmalig negativ (siehe Abbildung 2). Bezogen auf die operative Umsatzrendite ergibt sich eine operative EBITDA-Marge von - 3,6 %. Die Krankenhäuser verlieren also bereits aus ihrer Geschäftstätigkeit ihre vorhandenen liquiden Mittel (Barliquidität). Diese verminderten Geldmittelbestände müssen zudem herangezogen werden, um Kapitaldienstleistungen und Eigenmittelinvestitionen zu bedienen. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Liquiditätsabbau im Geschäftsjahr 2025 fortsetzen wird.
Zum 31. Dezember 2024 reicht der frei verfügbare Geldmittelbestand nach der von uns erhobenen Prognose gerade aus, um den Finanzbedarf des Durchschnitts-Krankenhauses für 2,5 Wochen abzudecken. Von den von uns zu prüfenden Krankenhäusern verfügen zum 31. Dezember 2024 sogar 38 % über keine frei verfügbaren Geldmittelbestände mehr. Ein weiterer Liquiditätsabfluss führt für diese Krankenhäuser unweigerlich zu einer Zahlungsunfähigkeit, es sei denn, die Gesellschafter (Städte, Kommunen, Bistümer, Stiftungen, Kirchengemeinden, Orden etc.) sind bereit, ihren Krankenhäusern die zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit notwendigen liquiden Mittel weiterhin zur Verfügung zu stellen.
In Anbetracht dieser Lage ist es nicht verwunderlich, dass sich aus unserer Abfrage für 35 von insgesamt 230 Kliniken bzw. rund 15 % eine hohe Insolvenzgefahr ergibt. Rechnet man diese Quote auf die im Jahr 2023 in Deutschland betriebenen 1.124 öffentlichen und freigemeinnützigen Krankenhäuser hoch, so muss bundesweit für rund 170 Krankenhäuser in öffentlicher oder frei-gemeinnütziger Trägerschaft eine hohe Insolvenzgefahr angenommen werden. Neben einem, zumindest teilweisen, Inflationsausgleich sind somit zusätzliche Maßnahmen zwingend erforderlich, um die hohen operativen Fehlbeträge zu beseitigen. Hierzu gehören die weitere Zusammenlegung von Standorten, die flächendeckende Bildung von Verbünden, die deutliche Verbesserung der betrieblichen Effizienz sowie vor allem der konsequente Abbau defizitärer Überkapazitäten.
Hinweis
Bei Redaktionsschluss waren bereits die Daten aus den Prüfungen von 124 Krankenhaus-Jahresabschlüssen 2024 aus unserer Mandantschaft in unserem Betriebsvergleich erfasst. Ausführliche Auswertungen zu den wichtigsten Kennzahlen aus unserem Betriebsvergleich für das Geschäftsjahr 2024 werden wir im Krankenhaus Rating Report 2025 vorstellen, der Ende Juni erscheinen wird.