Datenschutzverstoß als Wettbewerbsverstoß unter Apothekern – BGH stärkt Rolle von Mitbewerbern

Mit seinen Urteilen vom 27. März 2025 – I ZR 222/19 und I ZR 223/19 – hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften im Umgang mit Gesundheitsdaten beim Onlinevertrieb von Arzneimitteln nicht nur aufsichtsrechtliche Konsequenzen haben, sondern auch von Mitbewerbern im Wege einer wettbewerbsrechtlichen Klage verfolgt werden können. Diese Entscheidung markiert einen bedeutenden Schnittpunkt zwischen Datenschutz- und Lauterkeitsrecht und stärkt die Rolle von Marktteilnehmern bei der Durchsetzung datenschutzrechtlicher Standards.


Der Fall

In dem Fall ging es um mehrere Apotheker, die andere Apotheker verklagt hatten, weil diese über die Plattform Amazon Arzneimittel verkauften. Amazon speicherte die Bestellhistorie und empfahl den Kunden anhand der Angaben aus der Bestellung andere Medikamente. Eine Einwilligung zur Erhebung und Speicherung ihrer Gesundheitsdaten gaben die Kunden nicht ab. Die Kläger sahen darin einen Verstoß gegen die DS-GVO, da es sich bei diesen Angaben um besonders schützenswerte Gesundheitsdaten handelt. In einem der Verfahren wurden Verstöße gegen weitere Vorschriften wie das Arzneimittelgesetz und die Apothekenbetriebsordnung gerügt. Die Kläger forderten daher nicht nur, dass die beklagten Apotheker dieses Verhalten unterlassen, sondern in einem Fall auch Schadensersatz leisten sollten.

Die Vorinstanzen gaben den Klägern teilweise recht: Sie verurteilten die beklagten Apotheker zur Unterlassung der datenschutzwidrigen Datenverarbeitung. Die weitergehenden Vorwürfe – etwa zu Verstößen gegen das Apothekenrecht – sowie der Schadensersatzanspruch wurden jedoch abgewiesen.

Der BGH setzte die Verfahren zunächst aus, um dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen zur Auslegung der DS-GVO vorzulegen. In seinem Urteil vom 4. Oktober 2024 – C-21/23 („Lindenapotheke“) – bestätigte der EuGH, dass nationale Regelungen, die Mitbewerbern Klagebefugnisse bei Datenschutzverstößen einräumen, mit der DS-GVO vereinbar sind.
 

Die Entscheidung

Der BGH bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen, die den Beklagten die beanstandete Datenverarbeitung untersagt hatten. Die Bundesrichter stellten klar:

Die Verarbeitung der Bestelldaten ohne ausdrückliche Einwilligung der Kunden verstoße gegen Art. 9 Abs. 1 DS-GVO. Auch nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel begründen die Einordnung der Bestelldaten als Gesundheitsdaten, da sie Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand zulassen. Art. 9 Abs. 1 DS-GVO ist eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 3a UWG, so dass ein Verstoß zugleich eine unlautere geschäftliche Handlung darstelle.

Die weitergehenden wettbewerbsrechtlichen Vorwürfe im Verfahren I ZR 222/19 – etwa Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz – wurden hingegen nicht als wettbewerbsrechtlich durchsetzbar anerkannt. Der Schadensersatzanspruch wurde zur erneuten Prüfung an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Bereits in früheren Verfahren wie „App-Zentrum I und II“ (I ZR 186/17) hatte der BGH in Bezug auf soziale Netzwerke entschieden, dass auch Verbraucherschutzverbände Datenschutzverstöße im Wege der Unterlassungsklage verfolgen können. Diese Linie wurde nun auch auf den Apothekenbereich übertragen.
 

Praxis-Hinweis

Der BGH hat mit seinen Urteilen vom 27. März 2025 die Bedeutung des Datenschutzes im Wettbewerbsrecht unterstrichen. Die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben ist nicht nur eine Frage der Compliance, sondern auch ein Wettbewerbsfaktor. Apotheker und andere Anbieter im Gesundheitsbereich müssen ihre Prozesse im Onlinevertrieb sorgfältig prüfen und anpassen, um rechtliche Risiken zu vermeiden, andernfalls drohen nicht nur aufsichtsrechtliche, sondern auch wettbewerbsrechtliche Konsequenzen, denn Gesundheitsdaten unterliegen einem besonders hohen Schutzniveau. Selbst scheinbar harmlose Bestelldaten können unter Art. 9 DS-GVO fallen. Einwilligungen müssen ausdrücklich und wirksam eingeholt werden. Pauschale Hinweise oder implizite Zustimmung reichen nicht aus.

Autorin
Autorin

Weitere Artikel, die Sie interessieren könnten

phone
mail Pfeil weiß