Architektenurheberrecht

Immer häufiger versuchen Architekten, Folgeaufträge bei Umbauten, Ergänzungsbauten oder gar Neubauten mit Hinweis auf das ihnen zustehende Urheberrecht gegenüber Bauherren durchzusetzen. Hier ein typisches Beispiel: Ein kirchlicher Krankenhausträger errichtete in den 90er-Jahren einen OP- und Bettentrakt. Nach nunmehr 20 Jahren stehen umfassende Änderungsbaumaßnahmen an. Der Klinikträger

Das Urheberrecht des Architekten – ein nur vermeintlich scharfes Schwert

Immer häufiger versuchen Architekten, Folgeaufträge bei Umbauten, Ergänzungsbauten oder gar Neubauten mit Hinweis auf das ihnen zustehende Urheberrecht gegenüber Bauherren durchzusetzen. Hier ein typisches Beispiel: Ein kirchlicher Krankenhausträger errichtete in den 90er-Jahren einen OP- und Bettentrakt. Nach nunmehr 20 Jahren stehen umfassende Änderungsbaumaßnahmen an. Der Klinikträger beauftragt einen Architekten mit umfangreichen Umbau- und Neuplanungsleistungen für eine Erweiterung des OP-Traktes. Daraufhin wendet sich der ursprüngliche Architekt an den Krankenhausträger, verweist auf sein Urheberrecht und droht, sämtliche Umbaumaßnahmen und Anbauten im Wege der Unterlassungsklage zu verhindern, wenn er nicht mit der Baumaßnahme beauftragt werde.

Nicht wenige Bauherren lassen sich in solchen Fällen einschüchtern oder scheuen das Risiko einer Auseinandersetzung mit dem früheren Architekten. Dass die Behauptung des Architekten, er könne die Umbaumaßnahmen und Ergänzungsbauten mit Blick auf sein Urheberrecht verhindern, tatsächlich ein scharfes Schwert darstellt, ist allerdings mit guten Gründen zu bezweifeln.

Grundsätzlich kann Architekten ein Urheberrecht an Bauwerken, Bauplänen und Entwürfen zustehen – allerdings nur dann, wenn diese, so der Bundesgerichtshof, eine „ausreichende schöpferische Individualität“ erkennen lassen. Ob eine solche eigenschöpferische Gestaltungshöhe erreicht wird, ist jeweils eine Frage des Einzelfalles. Nicht jeder Entwurf und nicht jede Baumaßnahme ist automatisch ein urheberrechtlich geschütztes Architektenwerk. Möchte sich der Architekt auf sein Urheberrecht berufen, muss er im Zweifelsfall beweisen, dass das Bauwerk Urheberrechtsschutz genießt.

Doch selbst wenn man zu Gunsten des Architekten von einem urheberrechtlich geschützten Werk ausgeht, führt dies nicht automatisch dazu, dass der Architekt Veränderungen am Bestandsgebäude oder Umbauten prinzipiell verhindern kann. Denn grundsätzlich wird dem Bauherrn mit dem Architektenvertrag auch ein Verwertungsrecht am Architektenwerk eingeräumt. Das Verwertungsrecht des Auftraggebers erschöpft sich in der Regel in der einmaligen Realisierung der Planung. Der Bauherr hat also in der Regel keine Nachbaubefugnis. Dies gilt auch für Erweiterungsbauten, die bei der Planung der Erstbauten nur allgemein einbezogen waren. Das heißt, grundsätzlich ist nur der ursprünglich beauftragte Architekt zu Nachbauten befugt (§ 16 Urhebergesetz).

Doch wie sieht es nun bei Änderungen, Umbauten oder Anbauten aus? Kann hier der Architekt mit Hinweis auf sein Urheberrecht die Verfügungsgewalt des Bauherrn einschränken? Nur bedingt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die entsprechenden Baumaßnahmen das urheberrechtlich geschützte Bauwerk entstellen, verfälschen oder in seinen Wesenszügen verzerren würde.

Denn § 39 Abs. 1 Urhebergesetz verbietet grundsätzlich eine Änderung des geschützten Werkes des Architekten, es sei denn, er kann seine Einwilligung nach Treu und Glauben nicht versagen. Somit kollidiert das Urheberrecht des Architekten mit dem Eigentumsrecht des Bauherrn nach Artikel 14 GG. Nach Ansicht der Rechtsprechung gibt es kein vorrangiges Interesse des Eigentümers oder des Urhebers. Vielmehr muss der Konflikt zwischen Urheber- und Eigentümerbelangen im Wege einer Interessenabwägung gelöst werden.

Je größer die Gestaltungshöhe des Gebäudes ist, desto stärker wird das Urheberrecht des Architekten ins Gewicht fallen. Andererseits kann der Architekt sich nicht auf sein Urheberrecht berufen, wenn die Änderungen aus nutzungserhaltenden, wirtschaftlichen oder technischen Gründen notwendig sind. Denn der Gebrauchszweck und die bestimmungsgemäße Verwendung des Bauwerks spielen bei Werken der Baukunst eine wesentliche Rolle.

Der Urheber eines Bauwerks muss – so die Rechtsprechung – stets damit rechnen, dass sich die Bedürfnisse des Eigentümers und die Nutzungsanforderungen ändern können und sich hieraus notwendigerweise Umbau- und Ergänzungsmaßnahmen ergeben können. Insbesondere bei Funktionsgebäuden im Bereich des Gesundheits- und Sozialwesens (Kliniken, Alten- und Pflegeheime, Werkstätten) wird man regelmäßig den technisch notwendigen Eingriff oder die wirtschaftlichen Belange des Bauherren stärker gewichten können als das Urheberrecht des Architekten. Vor allem bei Instandsetzungen und Reparaturen ist das Urheberrecht des Architekten weitgehend eingeschränkt.

Und schließlich: Der Architekt kann sich zwar gegebenenfalls gegen entstellende Veränderungen wehren – die Vernichtung durch Abriss ist hingegen nicht durch das Urheberrecht geschützt. Wie bei anderen Kunstwerken gibt es auch bei Bauwerken kein Vernichtungsverbot.

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass gerade bei Funktionsbauten im Gesundheits- und Sozialwesen sich das scheinbar scharfe Schwert des Architektenurheberrechtsoftmals als recht stumpfe Waffe erweisen wird. Nur in ganz wenigen Ausnahmefällen wird man eine Gestaltungshöhe annehmen können, die zu einem umfassenden Urheberrechtsschutz des Gebäudes führt (z. B. Großklinikum Aachen, Bundeswehrkrankenhaus Ulm).

Praxis-Hinweise zum Architektenurheberrecht

Das Architektenurheberrecht bietet Konflikt- und Streitpotential. Dieses sollte von vornehinein vermieden
werden, indem bei der Gestaltung von Architektenverträgen auf entsprechende Urheberrechtsklauseln
besonderer Wert gelegt wird. Denn es steht den Parteien grundsätzlich frei, mit Blick auf die Zukunft
und mögliche Umbauten bereits mit dem Architekten entsprechende Abreden zur Einwilligung zu vereinbaren. Bauherren sollten mithilfe entsprechender juristischer Beratung von dieser Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch machen, um Streitigkeiten in der Zukunft zu verhindern.

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