Am 1. Januar 2019 ist das Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals (Pflegepersonal-Stärkungsgesetz – PpSG) in Kraft getreten. Die Bundesregierung will damit dem Fachkräftemangel in der Kranken- und Altenpflege begegnen. Ob dies mit dem PpSG wirklich gelingt und tatsächlich von einem „grundsätzlichen Paradigmenwechsel“ für die Pflege die Rede sein kann, bleibt abzuwarten. Mit dem PpSG wird ein Bündel an Maßnahmen auf den Weg gebracht, die die pflegerische Versorgung in der Kranken- und Altenpflege verbessern und für eine bessere Personalausstattung und bessere Arbeitsbedingungen sorgen sollen.
Umfassende Finanzierung der Pflege am Bett
Ab 2020 erfolgt die Finanzierung der Kosten des einzelnen Krankenhauses für die Pflege am Bett unabhängig von den DRG-Fallpauschalen durch ein eigenes Pflegebudget, das zweckgebunden für die Finanzierung von Pflegepersonalkosten zu verwenden ist. Seit Januar 2019 können in stationären Pflegeeinrichtungen 13.000 Pflegekräfte neu eingestellt werden. Jede zusätzlich geschaffene und jede aufgestockte Pflegestelle am Bett wird vollständig von der Krankenversicherung finanziert.
Finanzierung pflegeentlastender Maßnahmen
Die Kostenträger finanzieren darüber hinaus sogenannte pflegeentlastende Maßnahmen. Wenn ein Krankenhaus bestimmte Aufgaben (z. B. Essensausgabe oder Wäschedienst) nicht mehr vom Pflegepersonal, sondern durch andere Personalgruppen ausführen lässt, wirkt sich das entsprechend erhöhend auf das Pflegebudget aus. Ferner refinanzieren die Kostenträger bereits ab dem Jahr 2018, also rückwirkend, die linearen und strukturellen Tarifstei-gerungen für die Pflegekräfte vollumfänglich.
Pflegepersonaluntergrenzen
Mit dem PpSG werden bestehende Vorgaben zu Pflegepersonaluntergrenzen für pflegeintensive Bereiche weiterentwickelt. Dies gilt insbesondere für die Bereiche Neurologie und Herzchirurgie. 2020 wird zudem der sogenannte Gesamthausansatz eingeführt. Damit wird das Verhältnis von Pflegefachpersonen zu dem zu leistenden Pflegeaufwand („Pflegequotient“) ermittelt. Dies soll Aufschluss über die Pflegepersonalausstattung und die Arbeitsbelastung im gesamten Krankenhaus geben.
Krankenhausstrukturfonds
Der Krankenhausstrukturfonds wird um vier Jahre verlängert und damit jährlich für strukturverbessernde Maßnahmen ein Volumen von 1 Mrd. EUR zur Verfügung gestellt. Neu aufgenommen als Förderungszwecke werden die Bildung von Zentren für seltene oder schwerwiegende Erkrankungen an Hochschulkliniken oder – soweit auch nicht-universitäre Krankenhäuser beteiligt sind – die Bildung von Krankenhausverbünden, die Verbesserung der IT-Sicherheit, die Schaffung zusätzlicher Ausbildungskapazitäten für Pflegeberufe sowie die Bildung integrierter Notfallstrukturen und telemedizinischer Netzwerkstrukturen (s. auch S. 19).
Verkürzung der Verjährungsfrist auf zwei Jahre
Das Gesetzgebungsverfahren befand sich gerade in den letzten Zügen, als kurzerhand noch ein Änderungsantrag eingereicht wurde: Die Verjährungsfrist für potenzielle Rückzahlungsansprüche der Krankenkassen wird rückwirkend bis 2017 von vier auf zwei Jahre verkürzt. Zur Vermeidung der daraufhin von den Kassen angekündigten Prozessflut wurde in letzter Minute noch eine äußerst kurzfristige Ausschlussfrist ergänzt. Danach durften Krankenkassen Rückforderungen, welche vor dem 1. Januar 2017 entstanden sind, noch bis zum 9. November 2018 verjährungshemmend gerichtlich geltend machen. Krankenhäuser hingegen können ihre noch offenen Ansprüche gegen die Krankenkassen aus den Jahren 2015 bis 2018 in der bisherigen vierjährigen Verjährungsfrist geltend machen. Für Ansprüche ab dem 1. Januar 2019 gilt die Verkürzung der Verjährungsfrist auf zwei Jahre.
Anhängige Klagen wegen der Rückforderung von Komplexpauschalen
Infolge der kurzfristigen Verjährungsfristverkürzung für Rückforderungen der Krankenkassen rollte eine beispiellose bundesweite Klagewelle über die Sozialgerichte hinweg. Hintergrund sind zwei Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) zu den Voraussetzungen für die Abrechnung der neurologischen und der geriatrischen Komplexbehandlung. Infolge der Klagewelle wurden die Krankenkassen vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG), vom GKV-Spitzenverband und von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) dazu aufgerufen, bei den Sozialgerichten eingereichte Klagen wegen möglicherweise fehlerhafter Krankenhausab-rechnungen zur neurologischen Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls und zur geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung zu überprüfen. Demnach sollten die Konfliktparteien die Klagen und Aufrechnungen fallen lassen, sofern die neu definierten Kriterien zur Behandlung von Schlaganfall- und Geriatrie-Patienten erfüllt seien. Dazu hatte das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Dezember 2018 zwei Klarstel-lungen zum Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 2019 veröffentlicht.In einer Gemeinsamen Empfehlung vom 6. Dezember 2018 haben der GKV-Spitzenverband, die Bundesverbände der Krankenkassen, das BMG und die DKG eine Vereinbarung über den Umgang mit den Rückzahlungsklagen unterschrieben. Danach sollen die Kostenträger prüfen, ob die eingelegten Klagen zurückgenommen bzw. Verrechnungen zurückgezahlt werden können. Die Umsetzung der Empfeh-lung müssen die Vertragspartner vor Ort (Krankenhaus und Krankenkasse) allerdings individuell regeln.
Fazit
Das Gesetz ist sicherlich ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Bekämpfung des Pflegenotstands. Wie viele neue Stellen durch das PpSG in Krankenhäusern entstehen werden, lässt sich allerdings nicht prognostizieren. Auch nutzen Untergrenzen beim Personal wenig, solange auf dem Arbeitsmarkt keine Pflegekräfte verfügbar sind. Insofern bleibt abzuwarten, ob die finanzierten neuen Personalstellen überhaupt besetzt werden können. Was die kurzfristig erhobenen Klagen der Krankenkassen im Zusammenhang mit der Rückforderung von Komplexpauschalen anbelangt, empfehlen wir, sich unter Verweis auf die Gemeinsame Empfehlung vom 6. Dezember 2018 sowie die (rückwirkende) Klarstellung durch das DIMDI gegen Rückforderungen zu wehren.