Steuerrechtliche Aspekte der MVZ-Gründung
Bei der Gründung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) sind neben den gesellschafts-, arbeits- und vertragsarztrechtlichen Aspekten auch eine Vielzahl steuerrechtlicher Fragestellungen zu berücksichtigen.
Bei der Errichtung eines MVZ durch eine gemeinnützige Krankenhausträgergesellschaft wird in der Regel die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als Rechtsform gewählt. Dabei wird unter umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten zumeist eine umsatzsteuerliche Organschaft angestrebt, um zukünftige Leistungsverrechnungen zwischen Krankenhaus- und MVZ-Gesellschaft als nicht umsatzsteuerbare Innenumsätze einstufen zu können. Erforderlich sind dafür die finanzielle Eingliederung (Mehrheit der Stimmrechte bzw. Anteile), die organisatorische Eingliederung (beherrschende Einflussnahme auf die Geschäftsführung der MVZ-GmbH) und die wirtschaftliche Eingliederung, die etwa durch die Verzahnung des stationären und des ambulanten Leistungsbereichs begründet werden kann.
Unter ertragsteuerlichen Gesichtspunkten kann die Tochtergesellschaft entweder gemeinnützig oder körperschaft- und gewerbesteuerpflichtig ausgestaltet werden.
Steuerrechtliche Aspekte der MVZ-Gründung - Steuerpflichtige MVZ-GmbH
Ein Grund für die Errichtung einer steuerpflichtigen Tochtergesellschaft könnte darin bestehen, dass die Gesellschafter sich nicht den restriktiven Vorgaben der für eine gemeinnützige Gesellschaft zwingend anzuwendenden Mustersatzung unterwerfen wollen. Dies ist jedoch möglicherweise zu kurz gedacht, denn auch in diesem Fall sind weiterführende gemeinnützigkeitsrechtliche Auswirkungen auf die steuerbegünstigte Muttergesellschaft zu beachten. Das Stammkapital darf in diesem Fall nur aus nicht zeitnah zu verwendenden Mitteln aufgebracht werden (z. B. aus der freien Rücklage gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO). Diese Mittel dürfen auch nicht dem gemeinnützigen Bereich – etwa durch dauerhafte Verluste – final entzogen werden, sondern müssen stattdessen einer entsprechenden Verzinsung unterliegen bzw. eine angemessene Rendite erwirtschaften.
Bei maßgeblicher Einflussnahme des Gesellschafters auf den Geschäftsbetrieb des MVZ, wie er bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft gegeben sein muss, ist die Beteiligung zudem auf Ebene des Gesellschafters der Sphäre des steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs zuzuordnen. Bei einer etwaigen Gewinnausschüttung würden damit zumindest fünf Prozent der ansonsten steuerfreien Ausschüttung als nicht abziehbare Betriebsausgabe gemäß § 8b KStG der Körperschaft- und Gewerbesteuer unterliegen.
Neben der Aufbringung des Stammkapitals besteht zudem die Problematik der Gefährdung des steuerbegünstigten Status der Muttergesellschaft, wenn diese bei Anlaufverlusten nach der Gründung oder bei dauerhaften Defiziten Mittel in Form von Betriebskostenzuschüssen an die steuerpflichtige MVZ-GmbH weiterleitet. Diese Verluste müssen nach Maßgabe der Finanzverwaltung entweder durch entsprechende Gewinne aus anderen steuerpflichtigen Aktivitäten des Gesellschafters innerhalb des gleichen Veranlagungszeitraums kompensiert oder durch etwaige Gewinne im steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb aus den sechs vorangegangenen Jahren wieder ausgeglichen werden. Werden aufgrund von Verlusten Mittel in Form von Liquiditätsstützen bzw. Darlehen gewährt, ist auch hier zu beachten, dass diese aus nicht zeitnah zu verwendenden Mitteln stammen müssen. Um dem erforderlichen Drittvergleich standzuhalten, sind sie zudem angemessen zu verzinsen und zu besichern.
Sofern der steuerpflichtigen MVZ-GmbH wesentliche Betriebsgrundlagen (z. B. Räumlichkeiten, Geräte, Personal) überlassen werden, wird eine Ertragsteuer relevante Betriebsaufspaltung mit entsprechender Zuordnung der Erträge zum steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb auf Ebene des Gesellschafters begründet.
Schließlich ist in diesem Zusammenhang ganz allgemein auf die Angemessenheit der Entgelte bei Leistungsverrechnungen zwischen MVZ-GmbH und Krankenhausgesellschaft zu achten, um sowohl das Begünstigungsverbot nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO einzuhalten (keine unverhältnismäßig hohen Vergütungen) als auch die Problematik einer verdeckten Gewinnausschüttung zu vermeiden.
Steuerrechtliche Aspekte der MVZ-Gründung - Gemeinnützige MVZ-GmbH
Wählt man vor dem Hintergrund der oben dargestellten Problemfelder die Ausgestaltung der MVZ-GmbH als gemeinnützige Gesellschaft, sind neben den Anforderungen an die Satzung gemäß § 60 AO die Voraussetzungen für einen steuerbegünstigten Zweckbetrieb einzuhalten. Ein gemeinnütziges MVZ wird im Regelfall als Zweckbetrieb nach § 66 AO, d. h. als Zweckbetrieb der Wohlfahrtspflege, eingeordnet werden können. Allerdings verliert das MVZ die Zweckbetriebseigenschaft und damit die Steuerbegünstigung, wenn es „des Erwerbs wegen“ betrieben wird. Eine zweckbetriebsschädliche Erwerbsabsicht liegt nach Ansicht der Finanzverwaltung dann vor, wenn in drei aufeinanderfolgenden Veranlagungszeiträumen der erwirtschaftete Gewinn jeweils den konkreten Finanzierungsbedarf in der wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre übersteigt.
Dies kann allerdings widerlegt werden, beispielsweise durch unbeabsichtigte Gewinne aufgrund von Marktschwankungen oder aufgrund behördlich festgelegter Preise, wie z. B. Gebührenordnungen. Im Falle höherer Gewinne ist zudem darauf zu achten, dass die Mittel zeitnah wieder für steuerbegünstigte Zwecke eingesetzt werden, um keinen gemeinnützigkeitsschädlichen Verwendungsrückstand zu riskieren.
Schließlich ist bei den Vertragsverhandlungen mit den Ärzten das Begünstigungsverbot nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO sowohl im Hinblick auf die Angemessenheit des Kaufpreises für die Arztpraxis bzw. den Vertragsarztsitz als auch bei der Festlegung der laufenden Vergütungen der im MVZ zukünftig angestellten Ärzte zu berücksichtigen. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist eine Praxisbewertung zur Objektivierung des Kaufpreises sehr ratsam. (Zur steuerrechtlich zulässigen Abschreibung des Praxiswertes siehe Solidaris-Information, Ausgabe 3/2017, S. 6 f.)
Steuerrechtliche Aspekte der MVZ-Gründung - Praxis-Hinweis:
Bei der Gründung oder dem Ausbau eines MVZ sollten Sie bereits frühzeitig Ihren steuerlichen Berater einzubeziehen, um unerwünschte und unter Umständen sogar gemeinnützigkeitsschädliche Konstellationen zu vermeiden.
Das Krankenhaus-MVZ –Wissenswertes für die Gründung
erstellt von Martin Wohlgemuth und Claudia Schürmann-Schütte
Aus der rechtlichen Perspektive ist die Gründung eines MVZ leicht, wenn im Vorfeld dieser Gründung alle relevanten Problembereiche identifiziert und erledigt sind. Dies setzt allerdings voraus, dass relevante Problemfelder in dem konkreten Vorhaben auch tatsächlich identifiziert werden. Die regulatorischen Vorgaben des Vertragsarztrechts halten immer „Überraschungen“ bereit. Wenn alles sorgfältig bedacht wird, kann das Krankenhaus-MVZ aber zum gewünschten Stichtag den Betrieb aufnehmen und wird dann hoffentlich auch kein „Groschengrab“ (vgl. Solidaris-Information 3/2019, S. 18 ff.).
Das „Leitrecht“ für eine MVZ-Gründung ist das Vertragsarztrecht, insbesondere die Vorschriften des SGB V und der Ärzte-Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV). Zudem sind gesellschafts-, steuer- und arbeitsrechtliche Vorgaben zu berücksichtigen. Gemäß § 95 Abs. 1 S. 2 SGB V sind MVZ ärztlich geleitete Einrichtungen, in welchen Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Gem. § 95 Abs. 1a SGB V können MVZ unter anderem von zugelassenen Krankenhäusern gegründet werden. Zugelassene Krankenhäuser sind Hochschulkliniken sowie Krankenhäuser, die in den Krankenhausplan aufgenommen sind oder über einen Versorgungsauftrag verfügen (§ 108 Nr. 1 – 3 SGB V).
Soweit klar ist, dass das Krankenhaus ein tauglicher Gründer im Sinne von § 95 Abs. 1a SGB V ist, bedarf es der Errichtung einer Trägergesellschaft. Hierbei greift man im Regelfall auf eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zurück. Der Gesellschaftsvertrag ist bei der Antragstellung zur Zulassung des MVZ beim Zulassungsausschuss vorzulegen. Die Satzung muss die notwendigen vertragsarzt-rechtlichen Regelungen wie zum Beispiel die Bestellung eines ärztlichen Leiters, aber auch einen Hinweis auf die Unabhängigkeit der angestellten Ärzte bei der Therapie unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes beinhalten. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht sind häufig die Vorgaben der Muttergesellschaft zu berücksichtigen. Die Satzung sollte insoweit harmonisiert sein, insbesondere was die zustimmungspflichtigen Geschäfte und die Einbindung der Aufsichtsgremien angeht.
Hierbei ist in der Regel auch zu klären, wer die Geschäftsführung der Trägergesellschaft übernimmt. Nicht zuletzt sind dann auch steuerrechtliche Erwägungen dahingehend anzustellen, ob die Gesellschaft gemeinnützig geführt werden soll. Schließlich ist auch darauf zu achten, dass eine umsatzsteuerliche Organschaft erhalten bzw. begründet wird. Soweit ein konfessionelles Haus ein MVZ gründet, bedarf es zudem der Abklärung, ob kirchenrechtliche Aufsichtsvorgaben einzuhalten sowie die Vorgaben des Kirchenarbeitsrechts zu berücksichtigen sind. In zeitlicher Hinsicht ist zu beachten, dass am Tag der Entscheidung des Zulassungsausschusses über die Zulassung des MVZ die Eintragung in das Handelsregister erfolgt sein muss. Die Vorlage eines HR-Auszuges ist zwingende Voraussetzung für eine positive Entscheidung durch den Zulassungsausschuss. Neben der Errichtung der Gesellschaft ist parallel zu überlegen, in welcher Form eine oder mehrere vertragsärztliche Zulassungen in das MVZ eingebracht werden sollen.
Als Minimalvoraussetzung wird eine vertragsärztliche Zulassung mit dem bedarfsplanerischen Faktor 1,0 benötigt, die mindestens mit zwei Ärzten – in der Regel zu gleichen Anteilen – zu besetzen ist. Bei der weiteren Betrachtung wird unterstellt, dass sich die Praxisübernahme in zulassungsgesperrten Planungsgebieten vollzieht. In diesem Fall stehen zwei Optionen zur Verfügung:
- Option 1 ist der Verzicht des abgebenden Vertragsarztes auf seine vertragsärztliche Zulassung zugunsten einer Anstellung im MVZ. In diesem Fall ist zu berücksichtigen, dass der Arzt noch mindestens drei Jahre in dem MVZ tätig sein muss (BSG, Urt. v. 4. Mai 2016 – B 6 KA 21-15 R). Allerdings ist der einbringende Arzt berechtigt, nach 12 Monaten seine Tätigkeit um den bedarfsplanerischen Faktor 0,25 zu reduzieren, entsprechendes ist nach 24 Monaten nochmals möglich. Soweit der Arzt nicht mindestens drei Jahre tätig wird, besteht ein erhebliches Risiko hinsichtlich der Nachbesetzung der Arztstelle. Anerkannte Ausnahmen hiervon sind Berufsunfähigkeit oder Tod des verzichtenden Arztes. Bei dieser Option ist besonderes Augenmerk darauf zu legen, die arbeitsvertraglichen Vergütungsregelungen leistungsbezogen auszugestalten.
- Option 2 ist die Ausschreibung des Vertragsarztsitzes mit anschließender Bewerbung des MVZ auf diesen Vertragsarztsitz. Im Rahmen einer Ausschreibung können Mitbewerber auftreten, die das Gesamtverfahren stören. Zugleich ist zu berücksichtigen, dass § 103 Abs. 4c SGB V vorsieht, dass MVZ im Rahmen von Ausschreibungsverfahren nachrangig zu berücksichtigen sind, wenn die Mehrheit der Stimmrechte nicht bei Vertragsärzten liegt. Insoweit sollte diese Option nur in Betracht gezogen werden, wenn Option 1 unter keinen Umständen realisierbar ist.
Soweit eine Trägergesellschaft besteht und die Einbringung der vertragsärztlichen Zulassung in das MVZ geklärt ist, können die entsprechenden Anträge an den Zulassungsausschuss und gegebenenfalls an die KV gestellt werden. Gegenüber dem Zulassungsausschuss werden im Falle einer Neugründung die Zulassung eines MVZ zur vertragsärztlichen Versorgung und gleichzeitig die Genehmigung der Anstellung von mindestens zwei Ärzten beantragt. Soweit bereits mehrere MVZ durch das jeweilige Krankenhaus betrieben werden, besteht die Möglichkeit, diese MVZ in Form einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft zu verbinden. Gegebenenfalls ist es auch sinnvoll, ein bestehendes MVZ um eine Zweigpraxis zu erweitern – insbesondere dann, wenn bei einem bestehenden Konstrukt nur eine Zulassung hinzugenommen werden soll, welche sich an einer anderen Örtlichkeit als das MVZ befindet.
Das Krankenhaus-MVZ - Wissenswertes für die Gründung - Praxis-Hinweis:
Im Rahmen einer MVZ-Gründung sollten folgende Fragestellungen berücksichtigt werden:
- Ist das Krankenhaus-MVZ gründungsberechtigt?
- Wie kann eine vertragsärztliche Zulassung sicher in das MVZ eingebracht werden?
- Welche Aufsichtsgremien müssen eingebunden und welche Genehmigungen müssen eingeholt werden?
- Bestehen zeitliche Puffer bei Störungen des Zulassungsverfahrens?
Das Krankenhaus-MVZ
Sowohl die Anzahl als auch die Größe der in Trägerschaft von Krankenhäusern betriebenen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) steigen kontinuierlich an (vgl. hierzu MVZ-Survey der Kassenärztlichen Bundesvereinigung). Gleichwohl wird die Wirtschaftlichkeit von Krankenhaus-MVZ häufig beklagt. Es hat den Anschein, dass die Gründung oder der Ausbau eines MVZ aus Sicht der Leitung eines Krankenhauses „alternativlos“ ist, aber häufig ein – möglicherweise sogar dauerhaftes – Zuschussgeschäft befürchtet wird. Dieser Zustand ist kein unabwendbares Schicksal. Unter Anwendung praxisbewährter Grundsätze können MVZ so etabliert bzw. bestehende MVZ so geführt werden, dass sie aus wirtschaftlicher Sicht tragfähig sind. Diese Grundsätze wollen wir Ihnen als Best-Practice-Empfehlungen im Rahmen einer Artikelreihe zum Thema „Krankenhaus-MVZ“ näher erläutern. Die nachfolgend angesprochenen Punkte werden wir in den nächsten Ausgaben der Solidaris-Information detailliert erörtern.
Das Krankenhaus-MVZ - Warum gründen oder erweitern?
Unstreitig bietet die Etablierung eines MVZ den größtmöglichen Spielraum für Krankenhäuser, den Patienten an dem jeweiligen Standort eine ambulante Behandlung in dem entsprechenden Fachgebiet anzubieten. Zwar werden die Sektoren (etwas) durchlässiger, die den Krankenhäusern zur Verfügung stehenden Optionen ambulanter Versorgungsangebote sind aber regelhaft zeitlich (z. B. Ermächtigungen) oder hinsichtlich der konkreten Leistungen (z. B. ambulante spezialfachärztliche Versorgung, ambulantes Operieren) beschränkt. Um den Patienten ein ambulant-stationäres Behandlungskonzept „aus einer Hand“ anzubieten, führt am MVZ letztlich kein Weg vorbei.
Unabhängig vom Standort – Stadt oder Land – kann eine solche Konzeption auch dabei helfen, sich in einem dichten Marktumfeld von Mitbewerbern abzusetzen. Darüber hinaus wächst der Bedarf von Krankenhäusern nach ambulanter Infrastruktur, da die ambulante Leistungserbringung über ermächtigte Ärzte an Bedeutung verloren hat. Gleichzeitig führen der Kostendruck im DRG-Bereich und die engmaschige MDK-Arbeit der Kostenträger ständig zu Neuordnungsprozessen im Erlösportfolio, so dass ohne Auffangmöglichkeit im ambulanten Bereich die Gefahr besteht, dauerhaft sowohl die Patientenbindung als auch das Patientenbudget zu verlieren. Zudem werden im ländlichen Raum MVZ in Trägerschaft von Krankenhäusern als Garant für eine gute medizinische Versorgung angesehen und sollen nach dem Willen der Politik weiter gestärkt werden. Schließlich kann auch die Situation entstehen, dass eine (Groß-)Praxis aus strategischen Gründen gekauft und in ein MVZ überführt werden „muss“, um bestehende Behandlungspfade nicht zu gefährden und eine qualitativ hochwertige Versorgung zu erhalten.
Das Krankenhaus-MVZ - Vorüberlegungen bei Ausbau und Erweiterung
Nach wie vor sind Gründung und Ausbau von MVZ von Zufälligkeiten geprägt. Häufig tritt ein im Einzugsbereich des Krankenhauses niedergelassener Arzt an die Krankenhausleitung mit dem Angebot heran, seine Praxis in ein Krankenhaus-MVZ einzubringen. Das Angebot ist nicht selten mit dem Hinweis versehen, dass der örtliche Mitbewerber bereits Interesse an der Praxis signalisiert habe, der Arzt es als „Ehemaliger“ des Hauses jedoch bevorzugen würde, die Praxis an seinen „alten Arbeitgeber“ abzugeben. Darüber hinaus wird häufig zeitlicher Druck aufgebaut, so dass – in Abhängigkeit von der Bedeutung der Praxis für das Krankenhaus – Hektik aufkommt, in der leicht wesentliche Aspekte des Praxiserwerbs und der MVZ-Etablierung übersehen werden können.
Damit eine solche Situation nicht entsteht, empfehlen wir bei grundsätzlicher Offenheit für die Etablierung eines MVZ zunächst eine Analyse des eigenen Leistungsangebotes, um diejenigen ambulanten Bereiche zu identifizieren, in denen sinnvolle Synergieeffekte zu erwarten sind. In einem nächsten Schritt sind dann auf Basis einer Analyse des Marktumfeldes im Einzugsbereich des Krankenhauses ansässige und geeignete Praxen zu identifizieren, um die jeweiligen Vertragsärzte proaktiv anzusprechen.
Neben einer klaren Formulierung der aus Sicht der Krankenhausleitung zu verfolgenden medizinischen Strategie, der Entwicklung einer Gesamtkonzeption und der Prüfung, ob der beabsichtigte Praxiserwerb ein Baustein zur Erreichung des Gesamtkonzepts sein kann, sind auch Sonderthemen wie z. B. tarifrechtliche oder steuerrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit einer erfolgreichen MVZ-Gründung zu klären. Zudem sind die sehr formalen und engen Grenzen des Vertragsarztrechts zu berücksichtigen. All diese Fragestellungen sind so spezifisch, dass es immer nur Individuallösungen, zugeschnitten auf die konkrete Gesamtsituation, geben kann. Sogenannte weiche Faktoren, die sich aus den Schnittstellen von ambulanter zur stationären Versorgung ergeben, sind unbedingt bei der Umsetzung zu berücksichtigen. Die leitenden Ärzte des Hauses sollten mit einbezogen werden.
Zudem sollte diskutiert werden, ob die Eins-zu-eins-Übernahme bestehender ambulanter Strukturen in die Organisation eines Krankenhaus-MVZ sinnvoll ist. Die konkrete Art der Einbringung der vertragsärztlichen Zulassung gibt hierbei den Rahmen vor. Die Übernahme einer Zulassung im Wege des Nachbesetzungsverfahrens ermöglicht eine sofortige flexible Besetzung der Arztstelle. Verzichtet der abgebende Vertragsarzt auf seine Zulassung zugunsten einer Anstellung, muss er auf Grundlage der aktuellen Rechtsprechung noch mindestens drei Jahre – mit der Möglichkeit einer sukzessiven Reduzierung des Tätigkeitsumfangs – in dem MVZ tätig sein.
Nicht zuletzt führen die Entwicklung der MVZ-Neugründungen und die starke Nachfrage der Ärzte nach Anstellungsverträgen mit Einkommenssicherheit zu einem Rückgang von Einzelpraxen, da diese nicht mehr adäquat nachbesetzt werden können. Auch für MVZ in Trägerschaft von Krankenhäusern stellt die Nachbesetzungsproblematik zunehmend ein wirtschaftliches Risiko dar, das durch ein vorausschauendes Personalkonzept und vernetzte Strukturen zum stationären Sektor abgefangen werden kann.
Das Krankenhaus-MVZ - Die Umsetzung
Eine sich aus dem Marktpreis von Angebot und Nachfrage ergebende Preisvorstellung der abgebenden Praxen sollte vor dem Erwerb durch eine objektivierte Praxiswertermittlung auf ihre Refinanzierbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit überprüft werden. Nur so können dauerhafte Defizite der MVZ-Gesellschaft aus Kaufpreisabschreibung und Finan- zierungskosten im Vorfeld identifiziert und gegebenenfalls verhindert werden.
Durch die Etablierung eines integrierten Businessplans, der idealerweise auch die wirtschaftlichen Effekte auf das Krankenhaus berücksichtigt, kann ein erster Schritt zu einer betriebswirtschaftlich tragfähigen ambulanten Versorgungsstruktur gemacht werden. Allerdings macht ein Businessplan nur Sinn, wenn er regelhaft mit der Realität abgeglichen wird. Fehlentwicklungen sind auf ihre Ursachen hin zu analysieren, geeignete Gegenmaßnahmen müssen zeitnah konzipiert und implementiert werden. Zudem ist zur Sicherstellung eines reibungslosen Antragsverfahrens eine rechtliche Begleitung empfehlenswert. Im Rahmen des Antragsverfahrens kann es zu deutlichen Verwerfungen des angedachten Umsetzungsprozesses kommen. Eine gewisse Flexibilität ist hier auf allen Seiten unerlässlich. Der wichtigste Aspekt ist jedoch der Arbeitsalltag. Bereits frühzeitig sollte innerhalb der Administration geklärt werden, wer für das operative Management des MVZ die Verantwortung tragen soll. Die Erfahrung zeigt, dass die Ressourcen insbesondere in der Anlaufphase eines MVZ auf Ebene der Krankenhausleitung selten in ausreichendem Maß vorhanden sind.
Das Krankenhaus-MVZ - Praxis-Hinweis:
Die Errichtung und/oder der Ausbau von MVZ dürften tatsächlich unerlässlich sein, um den Patienten eine intersektorale Versorgung aus einer Hand anzubieten. Damit aus dieser sinnvollen Strategie jedoch kein Groschengrab wird, sollten die dargestellten Grundsätze berücksichtigt werden. Durch die Festlegung einer medizinischen Strategie und die Einbettung des MVZ in die konzeptionelle Gesamtplanung – inklusive der Erarbeitung eines Businessplans – können im Vorfeld einer Gründung, Übernahme oder Eingliederung Planungsfehler vermieden und zu hebende Synergiepotentiale identifiziert werden. Vor Kaufpreiseinigung sollte mittels einer Praxisbewertung die Objektivierung des Kaufpreises erfolgen.