Alle Bundesländer sehen in ihren Ordnungsgesetzen zum Einrichtungsrecht (oder in den Verordnungen dazu) vor, dass die Zuverlässigkeit der Beschäftigten durch Vorlage eines Führungszeugnisses überprüft wird. Im nordrhein-westfälischen Wohn- und Teilhabegesetz (WTG) heißt es, dass sich die Leistungsanbieter „bei der Einstellung und in regelmäßigen Abständen von der persönlichen Eignung der Beschäftigten“ überzeugen müssen (§ 4 Abs. 8 WTG). Die Durchführungsverordnung zum WTG konkretisiert das Verfahren: Danach müssen Leistungsanbieter „sich bei der Einstellung ein amtliches Führungszeugnis vorlegen lassen. Während der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses ist für Einrichtungsleitungen und Leitungskräfte (…) in regelmäßigen Abständen die Vorlage eines amtlichen Führungszeugnisses verpflichtend zu fordern.“ (§ 2 Abs. 3 WTG DVO).
Welches Führungszeugnis ist gemeint?
Wie man sieht, ist das Führungszeugnis im WTG selbst gar nicht erwähnt. Auch die Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 8 WTG gibt zur Qualität des Führungszeugnisses nichts her: Es finden sich zwar Erörterungen zur persönlichen Eignung der Beschäftigten, aber kein Hinweis darauf, ob und welche Zeugnisqualität der Gesetzgeber vor Augen hatte (LT-Drs. 16/3388 und 16/6873). Etwas konkreter wird die Verordnung zum WTG. Sie spricht vom „amtlichen Führungszeugnis“. Doch was ist damit gemeint? Führungszeugnisse und ihre verschiedenen Qualitäten sind beschrieben im Gesetz über das Zentralregister und das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz – BZRG). Der in der WTG DVO verwendete Begriff des „amtlichen“ Führungszeugnisses lässt sich indes im BZRG nicht finden. Dort gibt es nur (neben dem europäischen Führungszeugnis, das hier nicht betrachtet wird) das Führungszeugnis (oder auch „einfaches“ Führungszeugnis), das erweiterte Führungszeugnis und – als Spielart für beide Formen – das Führungszeugnis bzw. das erweiterte Führungszeugnis zur Erteilung an Behörden. Dem Verordnungsgeber zum WTG scheint mit dem nicht existierenden „amtlichen“ Führungszeugnis nur ein redaktionelles Versehen unterlaufen zu sein. Denn in der Begründung zur WTG DVO findet sich der Begriff des „amtlichen“ Führungszeugnisses nicht. Die Begründung zur Durchführungsverordnung spricht in Übereinstimmung mit den Begriffen des BZRG nur vom „Führungszeugnis“. Nirgends lässt sich erkennen, dass der Verordnungsgeber dem im Normtext verwendeten Begriff „amtlich“ einen juristischen Gehalt beimessen wollte. Anhand der Begründung zur WTG DVO lässt sich gut nachvollziehen, dass es dem Verordnungsgeber um das (einfache) Führungszeugnis nach § 30 Abs. 1 BZRG ging. Ist also in der WTG DVO vom „amtlichen Führungszeugnis“ die Rede, ist das einfache Führungszeugnis nach BZRG gemeint.
Hinweis
Dies ist die staatliche Mindestforderung. Träger oder Trägergruppen können strengere Regeln aufstellen, wie es etwa bei kirchlichen Trägern nach den jeweiligen Präventionsordnungen der Bistümer mit der Vorlage von erweiterten Führungszeugnissen in bestimmten Fällen geschieht.
Original oder Kopie in die Akte oder doch nur Einsicht?
Nicht selten gibt der Beschäftigte das Führungszeugnis ab. Häufig dürfte das Führungszeugnis dann eingescannt und/oder für die Personalakte kopiert werden. Das ist allerdings nicht das, was die WTG DVO fordert. Der Wortlaut der Verordnung ist glasklar: Der Leistungsanbieter muss sich ein amtliches Führungszeugnis vorlegen lassen. Das Verb „vorlegen“ bringt (im Gegensatz etwa zu Formulierungen wie „übergeben“ oder „überreichen“) zum Ausdruck, dass das Führungszeugnis dem Einrichtungsträger eben nur vorzulegen, nicht aber zu übergeben ist. Der Träger prüft, ob das Führungszeugnis Einträge enthält, darf aber weder ein eventuell abgegebenes Original behalten, noch darf er eine Kopie anfertigen oder das Führungszeugnis einscannen. Dieses Vorgehen entspricht auch den datenschutzrechtlichen Vorgaben.
Für die Verarbeitung personenbezogener Daten bedarf es stets einer Rechtsgrundlage und die Verarbeitung muss den datenschutzrechtlichen Grundsätzen wie der Datenminimierung entsprechen, d. h. es sind nur die absolut notwendigen Daten zu erheben. Die Rechtsgrundlage bildet hierbei Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. c) DS-GVO bzw. die entsprechenden kirchlichen Vorgaben i. V. m. § 4 Abs. 8 WTG i. V. m. § 2 Abs. 3 WTG DVO. Demnach dürfen nur die zweckbezogenen Basisdaten (Name, Datum des Führungszeugnisses, Ergebnis der Prüfung, d. h. einschlägige Belastung ja/nein) gespeichert werden. Die Speicherung kann zum Beispiel in der jeweiligen Personalakte oder in einer gesammelten Übersicht für alle Mitarbeiter erfolgen. Diese Daten sind vor unbefugtem Zugriff zu schützen.
Nach der Einstellung fordert die WTG DVO für die Einrichtungsleitung und die Pflegedienstleitung (Pflegeeinrichtungen) bzw. verantwortliche Fachkraft (Eingliederungshilfe) die regelmäßige Vorlage des Führungszeugnisses (§ 2 Abs. 3 Satz 3 WTG DVO). Der unbestimmte Rechtsbegriff „regelmäßig“ kann als „mindestens alle fünf Jahre“ verstanden werden (nach einer Begründung im Verordnungsgebungsverfahren). Für alle anderen Beschäftigten sind nach § 2 Abs. 3 Satz 4 WTG DVO andere Verfahrensweisen zur Sicherstellung der Beschäftigteneignung möglich und der Behörde auf Verlangen darzulegen.
Darf auch die Heimaufsicht Einsicht nehmen?
Die Feststellung der persönlichen Eignung der Beschäftigten liegt in der Verantwortung der Leistungsanbieter (§ 2 Abs. 3 Satz 1 WTG DVO), sie ist nicht Aufgabe der Heimaufsicht (in NRW: der WTG-Behörden). Diese kann lediglich den Prozess des Vorlegenlassens überprüfen, etwa durch Einsicht in die entsprechenden Protokolle. Nach § 14 Abs. 5 Satz 1 Ziff. 3 WTG steht der WTG-Behörde die Befugnis zu, Einsicht in die Dokumentation über die Erfüllung der Anforderungen nach dem WTG oder der WTG DVO zu nehmen. Sie darf aber nicht selbst in Führungszeugnisse Einsicht nehmen oder gar vom Betreiber verlangen, dass dieser rechtswidrig Kopien der Führungszeugnisse für die WTG-Behörde bereithält.
Ein eigenes Einsichtsrecht der WTG-Behörde bedürfte einer rechtlichen Grundlage; eine solche ist im WTG jedoch nicht enthalten. Im BZRG werden zwar Behörden genannt, denen ein umfassendes Einsichtsrecht in das Register zusteht. Die für den Vollzug der Landesheimgesetze zuständigen Behörden finden sich im Katalog des § 41 BZRG aber nicht.
Dass die Behörde selbst eine Prüfung der Führungszeugnisse vornehmen soll, ist dem WTG nicht zu entnehmen. Wenn der WTG-Gesetzgeber das gewollt hätte, hätte er es in § 14 oder 15 WTG ausdrücklich niedergelegt. § 15 Abs. 6 WTG wäre der ideale Ort für eine solche Ermächtigung. Dort steht aber nichts davon. Allenfalls dann, wenn die Dokumentation des Betreibers lückenhaft ist oder anderweitig Zweifel aufkommen lässt, könnte man darüber diskutieren, ob ein Anlass für ein originäres Einsichtnahme- oder Überprüfungsrecht durch die WTG-Behörde gegeben ist. Eine anlasslose „Ersatzvornahme“ eines Prozesses, der beim Träger angesiedelt ist, ist durch hoheitliches Handeln nicht gedeckt; es fehlt am Tatbestandsmerkmal des „Benötigens“. (Vgl. VG Neustadt a. d. Weinstraße, Urteil vom 10. März 2021 – 3 K 914/20.NW. In dem dortigen Fall hatte die Luftsicherheitsbehörde aufgrund anderweitig erlangter Informationen Zweifel an der Zuverlässigkeit eines Flughafenmitarbeiters und verlangte dann das Führungszeugnis. Dort gab es also einen handfesten Grund, das Führungszeugnis zu verlangen.)
Praxis-Hinweis
Träger vollstationärer Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen müssen sich von ihren Mitarbeitern (einfache) Führungszeugnisse vorlegen lassen. Sie prüfen, ob Eintragungen vorhanden sind, ziehen bejahendenfalls eventuell arbeitsrechtliche Konsequenzen und dokumentieren den Prozess der Einsichtnahme. Wir empfehlen, diesen Prozess in einer Verfahrensanweisung zu dokumentieren. Kopien oder Scans dürfen nicht angefertigt werden, dementsprechend darf die WTG-Behörde vom Träger die Übersendung einer Kopie oder eines Scans nicht verlangen. Das Zeugnis ist dem Beschäftigten nach Einsichtnahme zurückzugeben. Die WTG-Behörde kann den Prozess der Einsichtnahme prüfen, ihr steht aber kein Recht darauf zu, selbst Einsicht zu nehmen.