Coronavirus und WfbM: Aufrechterhaltung der Produktion
Aufgrund des behördlich erlassenen Betretungsverbotes dürfen Beschäftigte die Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) in der Regel nicht mehr aufsuchen. Aktuell wird in den WfbM versucht, die bestehenden Aufträge und Arbeiten mit den zur Verfügung stehenden und nicht unter das Betretungsverbot fallenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu erledigen. Fraglich ist, ob die Auftragsbearbeitung ohne Beteiligung behinderter Menschen noch im Rahmen des Zweckbetriebs einer WfbM erfolgt und ob diese Leistungen mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz belegt werden dürfen.
Coronavirus und WfbM: Gemeinnützigkeit
Voraussetzung für den Betrieb einer WfbM im Sinne des SBG IX ist nach § 68 Nr. 3 a) AO die förmliche Anerkennung durch die Bundesagentur für Arbeit. Die Anerkennung setzt bestimmte Kriterien nach § 219 SGB IX voraus, die über einen längeren Zeitraum zu erfüllen sind. Unseres Erachtens ist eine kurzzeitige Unterbrechung des Geschäftsbetriebes kein Grund zur Aberkennung dieses Status – zumal die Unterbrechung durch behördliche Auflage entstanden ist. Räumlichkeiten und Personal werden durch die Einrichtung weiterhin vorgehalten, so dass der Geschäftsbetrieb jederzeit wieder aufgenommen werden kann. Die Gemeinnützigkeit bleibt unseres Erachtens erhalten.
Coronavirus und WfbM: Umsatzsteuer
Der ermäßigte Umsatzsteuersatz für WfbM ist in § 12 Abs. 2 Nr. 8 a) UStG geregelt. Wenn keine behinderten Menschen an den Aufträgen mitwirken, kann dies zur Nichtanwendbarkeit des ermäßigten Umsatzsteuersatzes führen. Die Leistungen, die nicht unter Mitwirkung behinderter Beschäftigter erbracht werden, erbringt die WfbM im Interesse zusätzlicher Einnahmen und nicht in ihrer Eigenschaft als WfbM. Wir gehen davon aus, dass diese Leistungen mit dem vollen Umsatzsteuersatz belegt werden müssen. Die praktische Relevanz dieser Aussage dürfte allerdings in Zeiten eines nationalen Notstandes eher gering sein, zumal das behördliche Betretungsverbot sehr kurzfristig kam und bestehende Auftragsreste noch abgearbeitet werden müssen.
Bei Kunden, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind (Privatpersonen, Kommunen, Krankenhäuser u.Ä.), müsste ggf. kurzfristig eine „Preiserhöhung“ vereinbart werden – anderenfalls würde die WfbM die Differenz zwischen 19% und 7% Umsatzsteuer tragen müssen. Die Durchsetzbarkeit einer solchen Maßnahme dürfte eher schwierig sein, auch vor dem Hintergrund der Fortführung des Auftragsverhältnisses nach Ende der Krise. Hier besteht also ein massives Risiko für WfbM, das nur durch eine mögliche Anweisung der Finanzverwaltung (befristete Ausnahmegenehmigung) beseitigt werden könnte.
Coronavirus und WfbM: Kurzzeitige Aussetzung der Produktion
In der Praxis werden viele WfbM die Produktion ganz einstellen. Es werden bereits erste Stornierungen und Auftragsrücknahmen gemeldet. Hier stellt sich die Frage, wie es nach der Krise weitergehen soll. Vertragsunterlagen müssten hierzu geprüft werden. Können dann die bestehenden (ggf. unterbrochenen) Verträge fortgeführt werden?
Coronavirus und WfbM: Zahlung der Arbeitsentgelte
Arbeitsentgelte an die behinderten Beschäftigten werden aus dem erwirtschafteten Arbeitsergebnis finanziert. Voraussichtlich wird das Arbeitsergebnis aller WfbM aufgrund der wegfallenden Erlöse im Jahr 2020 deutlich sinken. Fraglich ist, welche Auswirkungen dies auf die Höhe der Arbeitsentgelte haben wird und wie die Träger von WfbM ggf. gegensteuern können, zumal ja gerade erst die Anhebung des Grundbetrages verarbeitet werden musste. Hierbei ist zu berücksichtigen, inwieweit aufgrund möglicherer Zahlungen im Rahmen des Sozialdienstleister-Einsatzgesetztes (SodEG) zusätzliche finanzielle Spielräume entstehen.
Sofern nach § 12 Abs. 5 WVO in der Vergangenheit eine Ertragsschwankungsrücklage gebildet wurde, kann aus dieser ein Ausgleich erfolgen, der maximal für 6 Monatsentgelte ausreichen würde. Da die Rücklage außerbilanziell in einer Nebenrechnung geführt wird, kann die Inanspruchnahme nicht in der Gewinn- und Verlustrechnung gezeigt werden, der Lohnaufwand mindert das Jahresergebnis. Nicht in allen WfbM konnte in der Vergangenheit eine solche Rücklage in ausreichendem Umfang gebildet werden. Sofern allerdings Rücklagen für Ersatz- und Modernisierungsinvestitionen zu Verfügung stehen, spricht nichts dagegen, diese für Lohnzahlungen einzusetzen. Angesichts der zu erwartenden negativen Ergebnisse im Jahr 2020 könnten bei einigen WfbM die Geldmittel ausgehen. Diesen WfbM bleibt dann allerdings nichts weiter übrig, als den leistungsangemessenen Steigerungsbetrag zu reduzieren.
Werkstattbeschäftigte haben aufgrund ihres arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses Anspruch auf Weiterzahlung des Werkstattentgeltes in voller Höhe, d.h. Grundbetrag, Steigerungsbetrag und Arbeitsförderungsgeld. Unter Umständen kann die WfbM eine Entschädigung für die erstenl sechs Wochen Lohnfortzahlung nach dem Infektionsschutzgesetz beantragen.
Im jetzt anstehenden Jahresabschluss 2019 können nach herrschender Meinung keine Rückstellungen für die Ereignisse des Jahres 2020 gebildet werden. Auch in der Arbeitsergebnisrechnung 2019 kann noch keine Vorsorge getroffen werden, da nur notwendige Kosten des laufenden Betriebs angesetzt werden dürfen.
Coronavirus und WfbM: Weiterzahlung der Vergütungssätze durch die Leistungsträger
Ob Vergütungen weitergezahlt werden, wird von den Bundesländern unterschiedlich gehandhabt. Einige Bundesländer gewähren unter Vorbehalt der sich stetig verändernden Situation bis auf Weiteres eine vollständige Weiterzahlung der vereinbarten Vergütungen.
Mit dem SodEG sind spezielle Regelungen für die Vergütung von Leistungserbringern in Kraft getreten. Die Leistungsträger sollen den Bestand der sozialen Dienstleister (also auch der WfbM) sicherstellen, weil trotz des Betretungsverbotes/der Schließung von Werkstätten diese weiterhin vielfältige Unterstützungsleistungen für Werkstattbeschäftigte erbringen. Der Sicherstellungsauftrag soll durch monatliche Zuschüsse der Leistungsträger an die sozialen Dienstleister erfolgen. Für die Berechnung der Zuschusshöhe wird der Monatsdurchschnitt der vergangenen zwölf Monate herangezogen. Der monatliche Zuschuss beträgt höchstens fünfundsiebzig Prozent des Monatsdurchschnitts. Die Länder können nach oben abweichende Höchstgrenzen für die Zuschusshöhe bestimmen.
Frühestens drei Monate nach dem Ende des besonderen Sicherstellungsauftrages können die Leistungsträger überprüfen, dass keine ungerechtfertigte Bereicherung der Empfänger von Zuschüssen stattgefunden hat. Der Sicherstellungsauftrag gilt längstens bis zum 30. September 2020 (mit Verlängerungsoption bis 31. Dezember 2020).