Arbeitsrechtliche Fragestellungen in Zeiten der Coronavirus-Pandemie
Das Coronavirus bringt Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens an die Grenzen der Belastbarkeit: Die in den allermeisten Einrichtungen ohnehin schon dünne Personaldecke wird durch die Krise weiter strapaziert. Der folgende Beitrag soll einige arbeitsrechtliche Gesichtspunkte beleuchten.
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Wenn Mitarbeiter an der auf dem Coronavirus basierenden Lungenerkrankung COVID-19 erkranken, findet das Entgeltfortzahlungsgesetz „normal“ Anwendung, so dass hier keine Besonderheiten gelten. Dem betroffenen Mitarbeiter ist die Vergütung für sechs Wochen fortzuzahlen. Nach diesem Zeitraum besteht ein Anspruch auf Krankengeld.
Behördlich angeordnete Quarantäne
Wird gegen einen Mitarbeiter ein behördliches Tätigkeitsverbot nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) verhängt, ohne dass er selbst erkrankt ist (z.B. bei einer Erkrankung im gleichen Haushalt lebender Personen), findet das Entgeltfortzahlungsgesetz hingegen keine Anwendung. Der Arbeitgeber ist jedoch gemäß § 56 Abs. 5 IfSG verpflichtet, dem Arbeitnehmer für den Zeitraum der Quarantäne seine Vergütung bis zu sechs Wochen fortzuzahlen. Gleichzeitig besteht für den Arbeitgeber auf Antrag, welcher spätestens innerhalb von drei Monaten zu stellen ist, gegenüber der zuständigen Behörde ein Erstattungsanspruch in Höhe der an den Mitarbeiter gezahlten Vergütung. Die zuständigen Behörden unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland; in Nordrhein-Westfalen sind dies beispielsweise die Landschaftsverbände, in Bayern hingegen die Bezirksregierungen.
Entgeltfortzahlung bei Kinderbetreuung
Eltern von kleinen Kindern sind durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronakrise besonders betroffen. Schulen und KiTas wurden zur Eindämmung der Pandemie geschlossen, gleichzeitig stehen die Großeltern, da sie zur Risikogruppe gehören, für die Kinderbetreuung nicht zur Verfügung. Infolgedessen sind viele Eltern gezwungen, der Arbeit fern zu bleiben, um die Kinder zu Hause zu betreuen.
In vielen Fällen führt dies bei betroffenen Eltern zu erheblichen Einkommensverlusten, weil weder das Entgeltfortzahlungsgesetz noch das Infektionsschutzgesetz noch die Vorschriften zum sog. „Kinderkrankengeld“ als Anspruchsgrundlagen für einen Entgeltausgleich in Betracht kommen. Die Regelung des § 616 BGB, nach welcher das Arbeitsentgelt im Falle einer vorübergehenden Verhinderung fortzuzahlen ist, ist in einer Vielzahl von Arbeits- oder Tarifverträgen, z.B. auch in den Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes (AVR), weitestgehend ausgeschlossen. Sofern betroffene Eltern mit den Arbeitgebern keine einvernehmliche Lösung finden konnten (wie etwa durch die Vereinbarung eines Homeoffice), verblieb oftmals nur eine unbezahlte Freistellung. Vereinzelt „flüchteten“ sich Eltern daher in die (eigene) Krankschreibung.
Durch die aktuelle Einführung des § 56 Abs. 1a des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) hat der Gesetzgeber diese Regelungslücke nunmehr geschlossen. Dort heißt es:
„Werden Einrichtungen zur Betreuung von Kindern oder Schulen von der zuständigen Behörde zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten auf Grund dieses Gesetzes vorübergehend geschlossen oder deren Betreten untersagt und müssen erwerbstätige Sorgeberechtigte von Kindern, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder behindert und auf Hilfe angewiesen sind, in diesem Zeitraum die Kinder selbst betreuen, weil sie keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sicherstellen können, und erleiden sie dadurch einen Verdienstausfall, erhalten sie eine Entschädigung in Geld. Anspruchsberechtigte haben gegenüber der zuständigen Behörde, auf Verlangen des Arbeitgebers auch diesem gegenüber, darzulegen, dass sie in diesem Zeitraum keine zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind sicherstellen können. Ein Anspruch besteht nicht, soweit eine Schließung ohnehin wegen der Schulferien erfolgen würde. Im Fall, dass das Kind in Vollzeitpflege nach § 33 des Achten Buches Sozialgesetzbuch in den Haushalt aufgenommen wurde, steht der Anspruch auf Entschädigung anstelle der Sorgeberechtigten den Pflegeeltern zu.“
Voraussetzung ist, dass das zu betreuende Kind jünger als zwölf Jahre oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist. Außerdem darf keine andere zumutbare Betreuungsmöglichkeit, etwa durch Notbetreuungen oder durch andere Familienmitglieder, zur Verfügung stehen. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 19/18111) sollen Familienmitglieder, die zu einer Risikogruppe gehören, eine solche „zumutbare Betreuungsmöglichkeit“ nicht darstellen. Der Gesetzgeber hatte hierbei offensichtlich die Großeltern im Blick. Weiterhin darf allein die Schließung der Betreuungseinrichtung Ursache für den Verdienstausfall sein. Befindet sich ein Elternteil beispielsweise bereits in Kurzarbeit, im Urlaub oder kann ein Arbeitszeitguthaben abgebaut werden, soll ein Entschädigungsanspruch nicht bestehen.
Die Eltern müssen gegenüber der zuständigen Behörde bzw. gegenüber ihrem Arbeitgeber entsprechend darlegen, dass keine andere zumutbare Betreuungsmöglichkeit bestanden hat. Liegen die Voraussetzungen vor, kann für eine Dauer von bis zu sechs Wochen ein Verdienstausfall von 67 % (entsprechend dem Krankengeldanspruch) erstattet werden.
Zentrale arbeitsrechtliche Vorgehensweisen
Derweil sind zwischen den Arbeitsvertragsparteien in entsprechenden Situationen allenfalls einvernehmliche Regelungen denkbar. So werden Mitarbeiter (ggf. bereits anderweitig verplanten) Urlaub nehmen sowie Überstunden abbauen müssen. Arbeitgeber könnten darüber hinaus den betroffenen Mitarbeitern gestatten, auf einem Zeitkonto Minusstunden anzusammeln, die später wieder ausgeglichen werden. Denkbar ist auch die Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle sowie – soweit möglich – die Möglichkeit der Einrichtung von Arbeitsplätzen im Homeoffice, was zugleich der Reduzierung der Infektionsgefahr im Unternehmen dienen kann.
Fazit: Zentrale arbeitsrechtliche Fragestellungen
Der neu eingeführte § 56 Abs. 1a IfSG schließt eine gesetzliche Regelungslücke. Diese betraf in erster Linie berufstätige Eltern von Kindern, die in KiTas und Schulen betreut wurden, welche infolge der Coronakrise zwischenzeitlich geschlossen sind. Mangels anderweitiger Betreuungsmöglichkeit mussten die betroffenen Eltern die Kinder selbst betreuen und damit der eigenen Arbeit – ohne Anspruch auf Entgelt - oftmals fernbleiben. Durch die Neureglung können betroffene Eltern für eine Dauer von bis zu sechs Wochen einen Anspruch auf Verdienstausfall in Höhe von 67 % haben. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass die Entschädigungsleistung nur rund zwei Drittel des Verdienstausfalls umfasst und damit hinter der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall deutlich zurückbleibt. Auch wird durch die Rechtsprechung noch zu klären sein, was im Einzelfall eine „zumutbare Betreuungsmöglichkeit“ im Sinne des Gesetzes darstellt.