Mitgliederversammlungen: Weitere Erleichterungen für Vereine und Stiftungen

Der Gesetzgeber hat zum Jahresende 2020 nachgelegt und Ergänzungen der bereits geltenden besonderen Regeln für Vereine und Stiftungen nach dem Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (COVMG) beschlossen. Bereits seit März 2020 erleichtern diese Regeln Mitgliederversamm

Neue Gesetzgebung beantwortet bislang offene Fragen.

 

Der Gesetzgeber hat zum Jahresende 2020 nachgelegt und Ergänzungen der bereits geltenden besonderen Regeln für Vereine und Stiftungen nach dem Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (COVMG) beschlossen. Bereits seit März 2020 erleichtern diese Regeln Mitgliederversammlungen und Beschlussfassungen von Vereinen, indem sie die virtuelle Teilnahme, die vorherige schriftliche Stimmabgabe und die vereinfachte Beschlussfassung ohne Versammlung der Mitglieder erlauben. Die bisherigen Regelungen sind per Verordnung im Oktober 2020 schon bis zum 31. Dezember 2021 verlängert worden. Nunmehr gibt es weitere Erleichterungen und Klarstellungen, die zum 28. Februar 2021 in Kraft treten und insbesondere fortbestehende Fragen zur Einberufungspflicht bei satzungsmäßig vorgesehenen Versammlungen und zur Geltung der Regelungen für andere Vereins- und Stiftungsorgane beantworten. Diese gelten ebenfalls zunächst für das Jahr 2021.

Muss eine Mitgliederversammlung in Zeiten von Corona abgehalten werden?

Eine der häufigsten Fragen seit Ausbruch der Corona-Pandemie lautete stets: Muss eine Mitgliederversammlung auch in Zeiten von Corona zwingend abgehalten werden, sofern die Vereinssatzung eine solche turnusmäßige Versammlung vorschreibt, d. h. besteht eine entsprechende Einberufungspflicht? Diese Frage beschäftigte auch die Gerichte – nicht zuletzt das OLG München, das noch im November 2020 entschied, dass auch in Zeiten von Corona unter bestimmten Voraussetzungen die Einberufung einer Versammlung zwingend verlangt werden kann. (Diesen Beschluss bespricht Rechtsanwalt Dr. Severin Strauch in diesem Artikel).

Gesetzgeber bestätigt Rechtsauffassung der Solidaris

Bereits zuvor hatten wir an dieser Stelle die Auffassung vertreten, dass zwar grundsätzlich eine Einberufungspflicht besteht, diese jedoch im Einzelfall ausscheiden kann, wenn eine Präsenzversammlung aufgrund der Corona-Pandemie behördlich verboten ist bzw. diese oder eine virtuelle Mitgliederversammlung unter Berücksichtigung der Mitgliederstruktur mit zu hohen Risiken bzw. unverhältnismäßigem Aufwand verbunden wäre. Diese Rechtsansicht hat der Gesetzgeber nunmehr bestätigt, da nach den neuen Regelungen der Vorstand bei Versammlungsverboten oder der Unzumutbarkeit einer virtuellen Versammlung trotz etwaiger Satzungsanordnung nicht mehr zur Einberufung verpflichtet ist. Die neue gesetzliche Vorschrift des § 5 Abs. 2a COVMG lautet:

(2a) Abweichend von § 36 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist der Vorstand nicht verpflichtet, die in der Satzung vorgesehene ordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen, solange die Mitglieder sich nicht an einem Ort versammeln dürfen und die Durchführung der Mitgliedersammlung im Wege der elektronischen Kommunikation für den Verein oder die Vereinsmitglieder nicht zumutbar ist.

Diese Vorschrift soll Vorständen mehr Rechtssicherheit geben und klarstellen, dass eine ordentliche Mitgliederversammlung verschoben werden kann, solange Präsenzversammlungen Corona-bedingt nicht möglich sind und eine virtuelle Mitgliederversammlung nicht mit zumutbarem Aufwand für Verein und Mitglieder durchgeführt werden kann.

Weiterhin offene Fragen – Einzelfallprüfung notwendig

Bedauerlicherweise bleibt im nächsten Schritt weiterhin unbestimmt, wann eine virtuelle Versammlung unzumutbar sein soll. Die Gesetzgebungsmaterialien stellen zum einen auf Vereine ab, die aufgrund ihrer geringen Größe nicht über ausreichende Mittel verfügen sollen, um die Mitgliederversammlung als virtuelle Versammlung durchzuführen. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber Vereine im Blick, die aufgrund der Altersstruktur der Mitglieder viele Mitglieder haben, die nicht bereit oder in der Lage sind, an einer virtuellen Mitgliederversammlung teilzunehmen. Beide Fallgestaltungen zeigen relevante Problemkreise auf, dennoch bedarf es stets einer umfassenden Einzelfallprüfung. In Anbetracht der inzwischen existierenden vielfältigen technischen Möglichkeiten, die einem breiten Publikum zugänglich sind, erscheint zumindest auf den ersten Blick die Durchführung einer virtuellen Versammlung für viele Vereine nicht generell unzumutbar. Vorstände sollten ihre Entscheidung daher hinreichend dokumentieren, wenn sie sich auf die neuen gesetzlichen Regelungen berufen wollen.

Vorstand kann nicht zur Ermöglichung der physischen Teilnahme gezwungen werden

Die angepassten Bestimmungen stellen in der neuen Formulierung des § 5 Abs. 2 COVMG darüber hinaus klar, dass kein Mitglied den Vorstand zwingen kann, ihm eine physische Teilnahme an einem Versammlungsort, z.B. von dem aus der Vorstand die Mitgliederversammlung leiten will, zu ermöglichen. Dies ergibt sich daraus, dass der Vorstand nunmehr bestimmen kann, dass alle Mitglieder des Vereins nur im Wege der elektronischen Kommunikation an der Mitgliederversammlung teilnehmen können:

(2) Abweichend von § 32 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung in der Satzung vorsehen, dass Vereinsmitglieder

  1. an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilnehmen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können oder müssen,
  2. ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abgeben können.

Neue Regelungen stellen klar: Erleichterungen gelten für alle Organe

Zuletzt stellen die neuen Regelungen endlich gesetzlich klar, was zwar vielerorts bereits vertreten wurde, aber bisher als gesetzgeberisches „Übersehen“ zu bemängeln war: Die dargestellten Erleichterungen für Versammlungen und Beschlussfassungen gelten ausdrücklich gleichermaßen für Vorstände wie für andere Organe in Verein und Stiftung (§ 5 Abs. 3a COVMG):

(3a) Die Absätze 2 und 3 gelten auch für den Vorstand von Vereinen und Stiftungen sowie für andere Vereins- und Stiftungsorgane.

Im Hinblick auf die aktuelle Situation und die dringende Notwendigkeit, auch dort Sitzungen im Wege der elektronischen Kommunikation durchzuführen und Beschlüsse außerhalb von Versammlungen zu fassen, war diese Klarstellung überfällig. Vor allem wegen der wieder verschärften Vorschriften für Sitzungen und Zusammentreffen mehrerer Personen besteht jetzt Rechtssicherheit, auf welchem Weg die Geschäfte dennoch weitergeführt werden können. Somit kann auch bei der tatsächlichen Durchführung einer virtuellen Sitzung von Vorstand, Kuratorium, Beirat etc. auf alle modernen Kommunikationsmittel zurückgegriffen werden. Voraussetzung: Alle Teilnehmer müssen eine rechtzeitige Zugangsmöglichkeit (Einwahldaten/Passwort) zu dem Kommunikationsmittel der Wahl und die technischen Möglichkeiten haben. Andernfalls bieten sich die erleichterten Beschlussfassungswege an.

Fazit zu Mitgliederversammlungen in Pandemiezeiten

Die vorgestellten Konkretisierungen und Anpassungen des COVMG waren gleichermaßen überfällig wie notwendig. Der Gesetzgeber reagiert damit auf den praktischen Bedarf, Vereins- und Stiftungsgremien (insbesondere Vorständen) mehr Rechtssicherheit in diesen allgemein unsicheren Zeiten zu geben. In Anbetracht der mehreren hunderttausend Vereine in Deutschland ist dies zu begrüßen. Insbesondere die ausdrückliche Erstreckung der Erleichterungen auf die weiteren Gremien sowie auf die Rechtsform der Stiftung bringt endlich auch in diesen Fällen Klarheit, welche Handlungsmöglichkeiten den Beteiligten offenstehen.

Verbleibende Restunsicherheiten, z. B. hinsichtlich der Zumutbarkeit von virtuellen Versammlungen, werden weiterhin dem sensiblen Umgang der Einberufenden und andernfalls der Beurteilung durch die Gerichte unterliegen. Die vielerorts zwischenzeitlich gemachten guten Erfahrungen mit virtuellen Sitzungen sollten jedoch zum Anlass genommen werden, die Möglichkeiten auch für die Zeit nach der Pandemie zu prüfen und gegebenenfalls in die Satzung aufzunehmen. Zwar mag das nicht für jede Mitgliederversammlung tauglich sein, oftmals bieten sich solche Regelungen aber für andere Gremien, insbesondere Aufsichtsgremien an, die dadurch noch schneller und flexibler zur aktuellen Fragen tagen können. Sollten Sie in Bezug auf Ihren Verein oder Ihre Stiftung hierzu Fragen haben, sprechen Sie uns gern an.

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