Teilungserklärungen sind unzulässig
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 10. Januar 2019 – III ZR 37/18 – nochmals bekräftigt, dass Wohnungseigentümer bzw. aufteilende Eigentümer berechtigt sind, in der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung (TE/GO) Zweckbestimmungen und Gebrauchsregelungen vorzugeben, wonach die Sondereigentumseinheiten nur im Sinne betreuten Wohnens genutzt werden dürfen. Ebenfalls zulässig ist ein in der TE/GO vereinbarter Kontrahierungszwang, mit dem Betreiber eines bestimmten Pflegeunternehmens Betreuungsverträge abschließen zu müssen. Die Vertragsbindung darf jedoch die Grenze von zwei Jahren nicht überschreiten.
Betreuungsverträge von Pflegeunternehmen
Der Entscheidung lag eine TE/GO aus dem Jahre 1996 zu Grunde. In dieser wurden die Wohnungseigentümer verpflichtet, mit einem Pflegeunternehmen einen Vertrag über Betreuungsleistungen abzuschließen, soweit sie die Wohnung selbst nutzen. Ferner regelt die TE/GO, dass die Verpflichtung zum Abschluss eines Betreuungsvertrages entfällt, so lange die Wohnung nicht genutzt wird oder vermietet ist. Am 10. Dezember 2012 schloss der Kläger mit dem Pflegeunternehmen einen formularmäßigen Betreuervertrag ab. In § 4 des Betreuungsvertrages war u. a. geregelt:
„Dieser Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Der Bewohner/die Bewohnerin kann den Betreuervertrag während der ersten zwei Jahre ab Abschluss des Betreuervertrages nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes schriftlich unter Angabe des Grundes kündigen, wenn
-….
- der Bewohner/die Bewohnerin als Eigentümer der Wohnung deren Selbstnutzung dauerhaft aufgibt; in diesem Fall kann die Kündigung zum Monatsende ausgesprochen werden.
-….
Nach Ablauf der Zwei-Jahres-Frist kann der Bewohner/die Bewohnerin den Vertrag mit gesetzlicher Frist kündigen.“
Der Kläger hielt sich vom 2. Oktober 2015 bis zum 1. Februar 2016 wegen einer vorübergehenden schweren Pflegebedürftigkeit in einer vollstationären Pflegeeinrichtung auf. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2015 kündigte er den Betreuungsvertrag. Nach seiner gesundheitlichen Wiederherstellung kehrte der Kläger in die Eigentumswohnung zurück und zahlte die monatliche Betreuungspauschale. Die von dem beklagten Pflegeunternehmen für die Monate Dezember 2015 bis Februar 2016 abgebuchten Beträge von insgesamt 750 € verlangte der Kläger bzw. sein Erbe mit der Klage zurück. Das Pflegeunternehmen wehrte sich gegen die Klage mit dem Hinweis auf die Teilungserklärung.
BGH-Urteil
Der BGH urteilte, dass die Beklagte die Vergütung für die Monate Dezember 2015 bis Februar 2016 ohne Rechtsgrund erhalten hat, da der Betreuungsvertrag wirksam durch die Kündigung Ende November 2015 beendet worden war. Der Kontrahierungszwang aus der TE/GO, so der 3. Senat des BGH, ist unwirksam, weil diese Bestimmung der Inhaltskontrolle der §§ 305 ff. BGB nicht standhält.
Nach Auffassung des BGH handelt es sich bei dem Betreuungsvertrag um einen gemischten Vertrag mit dienstvertraglichen und werkvertraglichen Komponenten. Der Schwerpunkt liegt beim Betreuungsvertrag in den dienstvertraglichen Regelungen. Der Betreuungsvertrag, der eine kalendermäßige bestimmte Vertragsdauer gerade nicht beinhaltet, ist damit ordentlich kündbar. Selbst wenn die Auslegung des Vertrages ergäbe, dass der Betreuungsvertrag so lange Geltung haben sollte, wie der Eigentümer Mitglied der Wohnungseigentumsgemeinschaft ist, kann die Kündigung nicht ausgeschlossen werden.
Nach der Regelung des § 309 Nr. 9 a BGB kann ein Dienstberechtigter nur für einen Zeitraum von zwei Jahren vertraglich gebunden werden. Der BGH stellt in seiner Entscheidung nochmals klar, dass das Wohnungseigentumsrecht den Eigentümern weitestgehend freie Hand lässt, wie sieihre Verhältnisse untereinander regeln wollen. Deshalb ist es grundsätzlich zulässig, eine Gebrauchsregelung vorzugeben, die die Verpflichtung enthält, Wohnungen nur im Sinne des betreuten Wohnens nutzen zu dürfen und die Wohnungseigentümer deshalb ein bestimmtes Alter erreicht haben oder pflegebedürftig sein müssen. Ebenso sei es zulässig, dass in einer TE/GO eine Verpflichtung zum Abschluss eines Betreuungsvertrages festgeschrieben wird. Das darf jedoch nicht so weit führen, dass eine Vertragsbindung von mehr als zwei Jahren festgeschrieben wird. Eine einseitige Vorgabe einer dauerhaften Bindung an ein bestimmtes
Betreuungsunternehmen stellt eine unangemessene und daher rechtlich unwirksame Benachteiligung dar.
Praxis-Hinweise zu Teilungserklärungen
Die voranschreitende Überalterung der Bevölkerung macht es notwendig, neue Lebens- und Wohnmodelle zu entwickeln, um den Bedürfnissen der pflegebedürftigen Menschen gerecht werden zu können. Für
Betreiber von Pflegeunternehmen ist diese Entscheidung von erheblicher Bedeutung. Eine dauerhafte Bindung lässt sich jedoch durch eine Teilungserklärung nicht herbeiführen. Spätestens nach Ablauf von zwei Jahren lebt das gesetzliche Kündigungsrecht wieder auf. Die Entscheidung des BGH sollte bei Überlegungen eines Pflegeunternehmens, ob und in welchem Umfang eine Koppelung zwischen Betreuungsvertrag und Teilungserklärung herbeigeführt werden soll, zwingend beachtet werden.