Der Fall
Der Vorstand eines Zahlungsdienstleisters hatte ein Darlehen in Höhe von 100 Mio. Euro ohne Sicherheiten trotz finanzieller Schwäche des Vertragspartners, bestehender Rückstände aus einem früheren Darlehen von 2,375 Mio. Euro und Unsicherheit über die Existenz der mit dem Darlehn finanzierten Geschäfte vergeben und eine Schuldverschreibung in gleicher Höhe durch die Tochtergesellschaften des Zahlungsdienstleisters veranlasst. Die Geschäftsordnung für den Vorstand sah eine Zustimmung des Aufsichtsrats für den Abschluss eines Darlehens, das den Rahmen von 10 Mio. Euro und später 80 Mio. Euro übersteigt, vor. Dies galt auch, wenn das Geschäft von den Tochtergesellschaften getätigt wurde. Der Aufsichtsrat war zwar in die Entscheidungen des Vorstandes eingebunden, er hatte die Vorgänge jedoch weder selbständig geprüft noch die Geschäfte ausdrücklich genehmigt. Der Zahlungsdienstleister geriet in Zahlungsschwierigkeiten. Es wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet.
Der Insolvenzverwalter klagte gegen den Vorstand und den Aufsichtsrat auf Schadensersatz in Höhe von 140 Mio. Euro aus Organhaftung.
Die Entscheidung
Das LG gab der Klage gegen die Vorstandsmitglieder statt und wies sie ansonsten ab. Es stellte klar, dass Vorstandsmitglieder gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG verpflichtet sind, die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters anzuwenden. Bei Verstößen haften sie der Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG für den entstandenen Schaden. Der Geschädigte (Gesellschaft) müsse nachweisen, dass ein kausaler Schaden durch pflichtwidriges Verhalten entstanden sei, wobei ihm § 287 ZPO Erleichterungen gewähre. Das beklagte Organmitglied müsse hingegen darlegen und beweisen, dass es seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen sei oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten entstanden wäre. Diese Grundsätze finden auch auf ausgeschiedene Vorstandsmitglieder Anwendung, denn einem ausgeschiedenen Organmitglied stehe aufgrund der Vorschrift des § 810 BGB sowie aus der nachwirkenden Treupflicht ein Anspruch auf Einsicht in die Geschäftsunterlagen zu. Diese Einsicht ermöglicht es den ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern, sich gegen seine Inanspruchnahme zu wehren. Ein Anspruch auf Befragung ehemaliger Mitarbeiter des Zahlungsdienstleisters stehe den ausgeschiedenen Organmitgliedern jedoch nicht zu. Der Informationsanspruch richte sich lediglich gegen die Gesellschaft, nicht aber gegen Dritte. Eine nicht konkretisierte Befragung von ehemaligen Mitarbeitern der Schuldnerin stünde in Widerspruch zu allgemeinen Grundsätzen des Zivilprozesses, dem ein Ausforschungsbeweis fremd sei. Ein weitergehendes Einsichtsrecht folge auch nicht aus dem datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO, der personenbezogene Daten betrifft. Wie sich aus Art. 4 Nr. 1 DS-GVO ergebe, haben juristische Personen jedoch keine personenbezogenen Daten. Der Haftungsgrund liege gerade nicht in persönlichem Fehlverhalten, sondern in pflichtwidriger Geschäftsführung für die Gesellschaft, die zu einer Handlung mit Vermögensauswirkung der juristischen Person geführt habe.
Nach Ansicht des Gerichts ist der Kläger seiner Nachweispflicht nachgekommen, das unbesicherte Darlehen stelle ein unvertretbares Risiko dar. Auch in der Zeichnung der Schuldverschreibung über 100 Millionen Euro sah das LG eine fahrlässige Pflichtverletzung. Die Pflichtverletzungen hätten letztendlich zum Schaden des Zahlungsdienstleisters geführt.
Zwar sah das Gericht Versäumnisse in der Überwachungspflicht durch den Aufsichtsrat, erkannte jedoch keine kausale Verbindung zwischen diesen und dem entstandenen Schaden.
Fazit
Das Gericht hob hervor, dass die Beweislastverteilung im Organhaftungsverfahren klar geregelt ist. Die Regelungen des § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG gelten auch für ausgeschiedene Vorstandsmitglieder. Diese haben Anspruch auf Einsicht in Geschäftsunterlagen nach § 810 BGB und können sich auf ihre nachwirkende Treuepflicht berufen, um Informationen zu erhalten, die zu ihrer Verteidigung notwendig sind. Unterlagen, die die Organtätigkeit einer natürlichen Person betreffen, beziehen sich gerade auf ihr Tätigwerden für die Gesellschaft, der das Handeln der Organe zugerechnet wird. Es handelt sich dabei also nicht um „personenbezogene Daten“ im Sinne der DS-GVO.