Umsatzsteuerliche Behandlung von Aufsichtsratsvergütungen
Die Tätigkeit in einem Aufsichtsgremium (Aufsichtsrat, Beirat, Verwaltungsrat etc.) stellt grundsätzlich eine unternehmerische Betätigung dar. Das jeweilige Mitglied des Aufsichtsgremiums ist nämlich selbständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig. Darüber hinaus ist das Gremienmitglied insbesondere regelmäßig nicht weisungsabhängig in das Unternehmen eingebunden, da eine Weisungsabhängigkeit den Zielen und Grundsätzen der Aufsichtsratstätigkeit widersprechen würde. Insofern stellt sich die Frage, wie Aufsichtsratsvergütungen umsatzsteuerlich zu behandeln sind.
Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen entschied nunmehr in seinem Urteil vom 19. November 2019 – 5 K 282/18, dass die Tätigkeit als Verwaltungsratsmitglied nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Dabei nimmt das Finanzgericht Bezug auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 13. Juni 2019 – C-420/18 in der Rechtssache IO.
In diesem Verfahren hatte der EuGH die Steuerbarkeit eines (niederländischen) Aufsichtsratsmitglieds verneint. Dadurch, dass das Amt als Vorsitzender des Verwaltungsrats über viele Jahre gegen ein regelmäßiges Entgelt ausgeübt wurde, habe das Gremienmitglied zwar nachhaltig entgeltlich – und damit wirtschaftlich im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL – gehandelt. Die Selbständigkeit seiner Tätigkeit als Vorsitzender des Verwaltungsrats sei vorliegend jedoch zu verneinen, da ein Handeln im eigenen Namen und auf eigene Rechnung nicht gegeben sei.
Indem der Kläger nämlich als Vorsitzender des Verwaltungsrats nach außen auftrat, berechtigte und verpflichtete er das Unternehmen (hier: Versorgungswerk) und nicht sich selbst. Außerdem wurden Entscheidungen über die Führung des Versorgungswerks nur gemeinsam mit den übrigen Mitgliedern des Verwaltungsrats im Kollektiv getroffen.
Damit entspreche die Stellung des Klägers derjenigen des Aufsichtsratsmitglieds im Fall IO des EuGHs. Auch trage der Kläger weder eine individuelle Verantwortung, noch habe er persönlich für Schäden gegenüber Dritten, die er in weisungsgemäßer Ausführung der Beschlüsse des Verwaltungsrats verursachte, haften müssen. Der Kläger gehöre einem Kollektivorgan an, für das er tätig wurde, womit er gerade nicht selbständig handelte. Der Kläger habe auch kein wirtschaftliches Risiko getragen. In erster Linie bezog er eine monatliche Fixvergütung, die losgelöst vom konkreten Aufwand war.
Das Urteil des FG Niedersachsen setzt die jüngste Rechtsprechung des EuGH in der Sache IO (s.o.) sowie des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. November 2019 – V R 23/19 – zur Unternehmereigenschaft eines Aufsichtsratsmitglieds modifiziert fort. Der BFH hatte entschieden, dass die Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds nicht der Umsatzsteuer unterliegt, soweit dieses eine Fixvergütung erhält. Dabei hatte der BFH jedoch ausdrücklich offengelassen, wie Sachverhalte mit variablen Vergütungsbestandteilen zu bewerten sind.
Das FG Niedersachsen erkennt nun erweiternd die Nichtsteuerbarkeit erstens trotz variablen Sitzungsgeldes und zweitens für ein Mitglied eines Leitungsgremiums an. Wichtig scheint vor allem der Aspekt, dass der Kläger im Verfahren vor dem FG Niedersachsen die Gremiensitzungen nicht nach seinem eigenen Gutdünken und Willen einberufen, insoweit also keine „Unternehmerinitiative“ entfalten konnte. Das Urteil ist rechtskräftig. Das Finanzamt nahm die eingelegte Revision zwischenzeitlich zurück.
Aufsichtsratsvergütungen und ihre umsatzsteuerliche Behandlung - Fazit
Die in den obigen Entscheidungen angelegten Maßstäbe dürften gleichermaßen für Aufsichtsrats- wie für Verwaltungsratsmitglieder gelten, ebenso für Mitglieder weiterer Kollegialgremien. Auf Basis des Abschn. 2.2 Abs. 2 S. 7 UStAE können demgegenüber Aufsichtsratsmitglieder weiterhin von einer unternehmerischen Tätigkeit ausgehen. Verwaltungs- und Aufsichtsratsmitglieder können sich jedoch gegenüber dem jeweils zuständigen Finanzamt auch auf das Unionsrecht berufen und die Nichtsteuerbarkeit einfordern. Dies scheint immer dann sinnvoll, wo auf Empfängerseite (beim Gremienmitglied) kein volles Vorsteuerabzugsrecht besteht.
Aufsichtsgremien: Gezahlte Entschädigungen für Zeitaufwand sind steuerpflichtig
Ein Aufsichtsgremium (Aufsichtsrat, Verwaltungsrat, Beirat u. Ä.) hat die Geschäftsführung zu überwachen. Sofern die Mitglieder des Aufsichtsgremiums vergütet werden, zählen sogenannte Aufsichtsratsvergütungen regelmäßig zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 Einkommensteuergesetz (EStG). Die Aufsichtsratsvergütungen unterliegen daher nicht dem Lohnsteuerabzug und werden erst durch die Veranlagung zur persönlichen Einkommensteuer des jeweiligen Gremienmitglieds erfasst. Insoweit scheidet bei der Vergütung von Gremienmitgliedern regelmäßig auch die Gestaltung über eine geringfügige Beschäftigung (sog. „Minijob“) aus.
Daneben unterliegen gezahlte Vergütungen der Umsatzsteuer, wobei je nach Höhe der Vergütungen die Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG zur Anwendung kommen kann. In engen Grenzen kommt bei einer ehrenamtlichen Aufsichtsratstätigkeit die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 26 UStG in Betracht.
In einer aktuellen Entscheidung des Finanzgerichts Münster (Urteil vom 31. Oktober 2018 – 7 K 1976/17 E) stellte der 7. Senat fest, dass Entschädigungen, die an Verwaltungsratsmitglieder einer Körperschaft des öffentlichen Rechts für die Abgeltung von Zeitaufwand gezahlt werden, steuerpflichtige Einnahmen i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind. So bestehe nach Auffassung des Senats insbesondere auch keine Vergleichbarkeit mit den Entschädigungen für ehrenamtliche Richter.
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt erhielt das Mitglied eines Verwaltungsrates einer Körperschaft des öffentlichen Rechts aufgrund dieser Eigenschaften pauschale Entschädigungen hinsichtlich des Zeitaufwandes für die Sitzungsteilnahme sowie für Tätigkeiten im Rahmen der Sitzungsvor- und -nachbereitung. Das Finanzamt behandelte diese Entschädigungen als steuerpflichtige Einnahmen aus selbständiger Arbeit. Hiergegen wandte sich das
Verwaltungsratsmitglied mit dem Argument, dass die an ehrenamtliche Richter gezahlten Entschädigungen für Zeitversäumnis nach der BFH-Rechtsprechung (Urteil vom 31. Januar 2017 – IX R 10/16) nicht steuerbar seien und das Gleiche auch für die an ihn gezahlten Entschädigungen gelten müsse. Demgegenüber vertrat der Senat die Auffassung, dass die Tätigkeit des Verwaltungsratsmitglieds ihrer Art nach durchaus mit der Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds vergleichbar sei. Schließlich gehöre zu den Aufgaben insbesondere die Überwachung der Geschäftsführung der jeweiligen Körperschaft. Die gewährten Entschädigungen stellen zudem im Sinne eines Leistungsaustausches eine Gegenleistung für den erbrachten Arbeitsaufwand bei der Vor- und Nachbereitung sowie der Durchführung der Sitzungen dar. Insofern bestehe keine Vergleichbarkeit mit den Entschädigungen für ehrenamtliche Richter, die darüber hinaus nur eine (wesentlich geringere) Entschädigung für die Zeitversäumnis der Dauer der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten, nicht aber für Tätigkeiten außerhalb ihrer Heranziehung erhalten.
Praxis-Hinweise für gezahlte Entschädigungen für Zeitaufwand
Im Ergebnis dürfte die Entscheidung des Finanzgerichts Münster der aktuellen BFH-Rechtsprechung entsprechen. Nach dem BFH-Urteil vom 3. Juli 2018 – VIII R 28/15 – ist weder die ehrenamtliche Tätigkeit als Versichertenberater noch die ehrenamtliche Tätigkeit als Mitglied eines Widerspruchsausschusses mit der Tätigkeit eines ehren- amtlichen Richters vergleichbar. Demzufolge kann das BFH-Urteil vom 31. Januar 2017 – IX R 10/16 – auch nicht auf diese ehrenamtlichen Tätigkeiten übertragen werden. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache wurde seitens des Finanzgerichts Münster die Revision zum BFH zugelassen.