Verstoß gegen Aufklärungspflicht des Arztes gefährdet den Vergütungsanspruch

 

Der Vergütungsanspruch des Krankenhauses setzt eine Einverständniserklärung des Patienten nach ordnungsgemäßer Aufklärung über Chancen und Risiken des konkreten Eingriffs voraus. Bei einer objektiv medizinisch erforderlichen Behandlung kann im Sinne einer widerlegbaren Vermutung regelmäßig von einer ordnungsgemäßen Aufklärung ausgegangen werden. Nicht jedoch, wenn mit der Behandl

Urteil des Bundessozialgerichtes konkretisiert Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufklärung über die Behandlung

 

 

Der Vergütungsanspruch des Krankenhauses setzt eine Einverständniserklärung des Patienten nach ordnungsgemäßer Aufklärung über Chancen und Risiken des konkreten Eingriffs voraus. Bei einer objektiv medizinisch erforderlichen Behandlung kann im Sinne einer widerlegbaren Vermutung regelmäßig von einer ordnungsgemäßen Aufklärung ausgegangen werden. Nicht jedoch, wenn mit der Behandlung ein hohes Risiko schwerwiegender Schäden verbunden ist. Je größer das Mortalitätsrisiko und je geringer oder zumindest unsicherer die Erfolgsaussichten der Behandlung sind, desto höhere Anforderungen sind an den Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung zu stellen, so das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 19. März 2020 – B 1 KR 20/19 R.

Der Fall

Bei dem gesetzlich versicherten Patienten war ein Mantelzelllymphom im höchsten Stadium IV diagnostiziert worden. Nach einer Chemotherapie und anschließender autologer Blutstammzelltransplantation konnte zunächst eine vollständige Remission erreicht werden. Fünf Jahre später kam es zu einem lokalen Rezidiv. Durch eine Strahlentherapie konnte erneut eine komplette Remission erreicht werden. Gut ein Jahr später wurde eine allogene Stammzelltransplantation (SZT) durchgeführt. Wenige Monate danach wurde der Patient im Rahmen einer Notfallbehandlung stationär aufgenommen. Kurz darauf verstarb der Patient an den Folgen einer Sepsis mit Multiorganversagen. Die Krankenkasse bezahlte die in Rechnung gestellten Behandlungskosten zunächst, verrechnete später jedoch aufgrund eines MDK-Gutachtens einen Betrag von 45.351,04 €, da die allogene SZT angeblich medizinisch nicht notwendig gewesen sei. Das Krankenhaus erhob Zahlungsklage und bekam in zwei Instanzen Recht. Die Krankenkasse ging in Revision. Die Behandlung mit der allogenen SZT habe nicht dem Qualitätsgebot entsprochen, da die Studienlage unklar gewesen sei. Zudem sei der Patient nicht ausreichend aufgeklärt gewesen. Das BSG hob das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) auf und verwies die Sache an dieses zurück.

Die Entscheidung

Der 1. Senat des BSG konnte auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Das LSG habe offengelassen, ob die Behandlung des Patienten mittels allogener SZT dem im Behandlungszeitraum maßgeblichen allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprochen hat. Auch seien keine Feststellungen zur ordnungsgemäßen Aufklärung des Patienten getroffen worden. Das Wirtschaftlichkeitsgebot erfordere, dass der Patient die Entscheidung für die Inanspruchnahme der Leistung auf der Grundlage von ausreichenden Informationen trifft. Die Aufklärung müsse dem Patienten die Spanne denkbarer Entscheidungen aufzeigen, so dass ihm Für und Wider der Behandlung bewusst sind und er Chancen und Risiken der jeweiligen Behandlung selbstbestimmt abwägen kann. Von einer ordnungsgemäßen Aufklärung könne bei objektiv medizinisch erforderlichen Behandlungen im Sinne einer widerlegbaren Vermutung regelmäßig ausgegangen werden. Das gelte jedoch nicht, wenn mit der Behandlung ein hohes Risiko schwerwiegender Schäden, insbesondere eine hohes Mortalitätsrisiko verbunden ist. Erwecke der aufklärende Arzt beim Patienten aber mittels unzutreffender Darstellung der Risikohöhe eine falsche Vorstellung über das Ausmaß der mit der Behandlung verbundenen Gefahr, so komme er seiner Aufklärungspflicht nicht in ausreichendem Maße nach.

Aufklärung vor allem bei Behandlungen mit hohem Mortalitätsrisiko notwendig

Zwar entwickelt der 1. Senat des BSG – unter neuer Besetzung – seine bisherige Rechtsprechung fort. Gleichzeitig setzt er für Vergütungsstreitigkeiten neue Maßstäbe. Klar ist, dass Ärzte über die Chancen und Risiken der Behandlung im „Großen und Ganzen“ aufzuklären haben, so dass dem Patienten eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den bestehenden Risiken vermittelt wird. Die Anforderungen an die Aufklärung steigen, je höher das Risiko eines schwerwiegenden Schadens ist oder wenn es sich um eine neue Behandlungsmethode handelt. Neu ist, dass der Senat eine weitere Voraussetzung des Leistungsanspruchs des Krankenhauses benennt, welche von den Gerichten zu prüfen ist, nämlich die der ordnungsgemäßen Aufklärung bei Behandlungen, die mit schwerwiegenden Risiken einhergehen, oder bei neuen Behandlungsmethoden. Hier steht zu befürchten, dass die Vorlage des unterschriebenen Aufklärungsbogens allein nicht mehr ausreicht. Um im Rahmen der Beweislast nicht das Nachsehen zu haben, ist dringend zu empfehlen, das individuelle Aufklärungsgespräch so detailliert wie möglich zu dokumentieren und die besprochenen Inhalte – über Chancen, Risiken, Alternativen, Mortalität etc. – z.B. auf den Aufklärungsbögen und in der Patientenakte der konkret geplanten Behandlung festzuhalten.

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