Enge Grenzen politischer Betätigung gemeinnütziger Organisationen

Im Rechtstreit zwischen dem Trägerverein von ATTAC und der hessischen Finanzverwaltung fällte der Bundesfinanzhof (BFH) am 10. Dezember 2020 – V R 14/20 – das mittlerweile vierte Urteil in einer langwierigen Prozessserie durch die Instanzen. Hintergrund des Rechtsstreites ist die Frage des zulässigen Umfangs politischer Tätigkeiten durch eine gemeinnützige Körperschaft sowie im Kern

Weiteres BFH-Urteil in Sachen ATTAC.

 

Im Rechtstreit zwischen dem Trägerverein von ATTAC und der hessischen Finanzverwaltung fällte der Bundesfinanzhof (BFH) am 10. Dezember 2020 – V R 14/20 – das mittlerweile vierte Urteil in einer langwierigen Prozessserie durch die Instanzen. Hintergrund des Rechtsstreites ist die Frage des zulässigen Umfangs politischer Tätigkeiten durch eine gemeinnützige Körperschaft sowie im Kern die Abgrenzung zwischen politischer Betätigung und gemeinnütziger Tätigkeit insgesamt.

Hintergrund des Rechtsstreits

Ausgangspunkt des Rechtsstreites war die Aberkennung der Gemeinnützigkeit des Trägervereins von ATTAC für die Jahre 2010 bis 2012, da sich nach Ansicht der hessischen Finanzverwaltung ATTAC mit seinen zahlreichen öffentlichkeitswirksamen Projekten über diverse Themenfelder in unzulässiger Weise politisch betätigt hatte. Der BFH hatte in einem ersten Revisionsurteil 2019 das vorangegangene Urteil des Hessischen Finanzgerichts aufgehoben und das Verfahren zusammen mit rechtlichen Vorgaben an das Hessische Finanzgericht zurückgegeben. Dieses wies die Klage von ATTAC dann im Februar 2020 ab, ließ aber erneut die Revision zum BFH zu.

Politische Willensbildung allein nicht gemeinnützig

Der BFH wies die Revision von ATTAC schließlich als unbegründet ab und bekräftigte seine bisherige Rechtsprechung zur Einflussnahme auf die politische Willensbildung durch gemeinnützige Organisationen.

Nach Auffassung des BFH sind die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die Gestaltung der öffentlichen Meinung keine eigenständigen gemeinnützigen Zwecke. Vielmehr ist eine eigenständige Befassung mit Fragen der politischen Willensbildung gemeinnützigen Organisation verwehrt. Gemeinnützige Organisationen dürfen in ihrer tatsächlichen Geschäftsführung weder ausschließlich noch überwiegend einen politischen Zweck verfolgen, insbesondere die Tagespolitik darf nicht im Mittelpunkt der Tätigkeit stehen. Gemeinnützige Organisationen dürfen nur die öffentliche Meinung insoweit mitgestalten, als dies der Verfolgung eines in § 52 Abs. 2 AO genannten gemeinnützigen Zweckes dient. Dabei muss eine „dienende“ und damit ergänzende Einflussnahme stets hinter der unmittelbaren Förderung des gemeinnützigen Zweckes zurücktreten. Die politische Betätigung muss im Rahmen dessen liegen, was das Eintreten für die gemeinnützigen Zwecke erfordert. Insoweit muss bei der Beschäftigung mit der politischen Willensbildung immer der erforderliche Bezug zu den verfolgten gemeinnützigen Zwecken vorliegen.

Fazit

Der Bundesfinanzhof machte im aktuellen Verfahren „kurzen Prozess“ und bestätigte sein erstes Urteil nochmals und auch nachdrücklich. Damit sind gemeinnützige Organisation gut beraten, sehr gründlich darauf zu achten, dass öffentlichkeitswirksame Maßnahmen immer eindeutig in Verbindung mit dem verfolgten gemeinnützigen Zweck stehen. Eine politische Einflussnahme muss hinter der Verfolgung des gemeinnützigen Zwecks zurückstehen und darf nicht zum wesentlichen Tätigkeitsgegenstand der gemeinnützigen Organisation werden. Die Tätigkeit muss im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung stattfinden und darf dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwiderhandeln. Ein allgemeinpolitisches Mandat können gemeinnützige Organisationen bei ihrer Tätigkeit nicht beanspruchen. Die Finanzbehörden wenden nach einer aktuellen OFD-Verfügung die Grundsätze, die der BFH in seinem ersten Urteil von 2019 aufgestellt hatte, nunmehr an. ATTAC indes hat in dieser Sache mittlerweile Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erhoben.

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