Abrechnung ergänzender strahlentherapeutischer Behandlung durch Krankenhäuser in Bayern auch ohne eigene strahlentherapeutische Abteilung möglich

Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention (Bayerisches Gesundheitsministerium) hat mit Wirkung zum 30. Mai 2024 eine Allgemeinverfügung zur Sicherstellung ergänzender strahlentherapeutischer Leistungen in der stationären Versorgung erlassen („AV Strahlentherapie“). Diese sieht vor, dass auch Krankenhäuser ohne eine eigene strahlentherapeutische Abteilung unter bestimmten Voraussetzungen ergänzende strahlentherapeutische Leistungen erbringen und abrechnen dürfen, und stellt klar, dass diese Leistungen dem stationären Versorgungauftrag des Krankenhauses unterfallen.

Ausgangslage

Tatsächlich verfügen nur wenige Krankenhäuser über eine eigene Abteilung für Strahlentherapie. Gleichzeitig wird aus medizinischer Sicht empfohlen, Patienten, die sich in strahlentherapeutischer Behandlung befinden, durchgängig durch dasselbe Gerät zu bestrahlen. Werden diese Patienten aus anderen Gründen stationär aufgenommen, stellt sich die Frage, wie eine Kontinuität der bereits begonnenen strahlentherapeutischen Behandlung gewährleistet werden kann.

Jahrelang wurden in Krankenhäusern, die über keinen Versorgungsauftrag im Bereich der Strahlentherapie verfügen, ergänzende strahlentherapeutische Behandlungen, die während des stationären Krankenhausaufenthaltes eines Patienten erforderlich waren, regelmäßig in nahegelegenen zur ambulanten Versorgung zugelassenen Strahlentherapieeinrichtungen erbracht und von den Krankenhäusern gegenüber den Krankenkassen als sogenannte „veranlasste Leistungen Dritter“ gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG abgerechnet. Aus krankenhausplanungsrechtlicher Sicht ist diese Praxis nicht zu beanstanden und mit Blick auf das Verbot der stationären und ambulanten Parallelbehandlung auch sinnvoll. Der Versorgungsauftrag ist in diesen Fällen grundsätzlich als implizit mit der Fachrichtung der Hauptbehandlung (z. B. Innere Medizin) zugewiesen anzusehen und somit strikt von den Fällen zu trennen, in denen Leistungen, die explizit vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst sind, regelmäßig an Dritte outgesourct werden.

Zuletzt wurde die strahlentherapeutische Leistungserbringung durch ambulante Strahlentherapieeinrichtungen auf Veranlassung eines Krankenhauses jedoch in zwei Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) im Hinblick auf die Abrechnungsfähigkeit dieser Leistungen durch das Krankenhaus in Frage gestellt. Im ersten Fall ging es um ein Krankenhaus, das über einen strahlentherapeutischen Versorgungsauftrag verfügte und gleichwohl strahlentherapeutische Leistungen an niedergelassene Ärzte outsourcte. Hier urteilte das BSG mit Urteil vom 26. April 2022 – B 1 KR 15/21 R (wir berichteten), dass wesentliche Leistungen des Versorgungsauftrags nicht regelmäßig und planvoll auf Dritte ausgelagert und als „veranlasste Leistungen Dritter“ nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG durch das Krankenhaus abgerechnet werden können. Vielmehr habe das Krankenhaus für die im Versorgungsauftrag ausgewiesenen Bereiche die räumliche, apparative und personelle Ausstattung zur Erbringung der wesentlichen Leistungen selbst vorzuhalten.

In einem anderen Fall hat das BSG mit Urteil vom 29. August 2023 – B 1 KR 18/22 R – zwar bestätigt, dass bei Krankenhäusern ohne ausdrücklichen Versorgungsauftrag für die Strahlentherapie die von ihnen veranlassten und durch eine ambulante Strahlentherapieeinrichtung erbrachten Leistungen der Gesamtverantwortung des Krankenhauses im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG zuzurechnen seien. Gleichzeitig stellte das BSG aber fest, dass eine Abrechnung dieser Leistungen – mit Ausnahme von Notfällen – gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 KHEntgG nur möglich sei, soweit sie vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst sind. Aufgrund dieses offensichtlich unzufriedenstellenden Ergebnisses sah sich das BSG veranlasst, auf die Erforderlichkeit der Schaffung einer gesetzlichen Reglung für diese Fälle hinzuweisen.

Die Allgemeinverfügung Strahlentherapie des Bayerischen Gesundheitsministeriums

Die AV Strahlentherapie löst die aufgezeigte Diskrepanz zwischen Behandlungspflicht auf Seiten des Krankenhauses und gleichzeitig fehlendem Vergütungsanspruch, indem sie zugelassenen Krankenhäusern bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen den Versorgungsauftrag für ergänzende strahlentherapeutische Behandlungen zuweist, insbesondere bei Patienten mit onkologischen Erkrankungen. Gleichzeitig wird durch eine ausdrückliche Beschränkung des Leistungsumfangs gewährleistet, dass die strahlentherapeutische Behandlung nicht das Wesenselement der stationären Leistungen bildet, sondern gleichsam ergänzend oder unterstützend für den Patienten in der konkreten Situation notwendig ist oder wird und insoweit entsprechend der Rechtsprechung des BSG als veranlasste Leistung Dritter im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG angesehen werden kann.

Die Allgemeinverfügung umfasst Strahlentherapiebehandlungen

  • die ergänzend zur stationären Hauptleistung dringend erforderlich sind, um Schäden oder Komplikationen beim Patienten zu vermeiden,
  • bei denen die Kontinuität der strahlentherapeutischen Behandlung bei einer stationären Aufnahme aus anderen Gründen als dem stationären Aufnahmegrund zu gewährleisten ist,
  • innerhalb multimodaler Therapien, bei denen die Kompetenz anderer Disziplinen als der Strahlentherapie für den Behandlungserfolg als vorrangig oder gleichwertig zu beurteilen ist,
  • bei multimorbiden Patienten oder Patienten, deren Allgemeinzustand eine ambulante Behandlung nicht zulässt und bei denen die Betreuung durch andere Disziplinen als die Strahlentherapie als gleichwertig oder vorrangig zu bewerten ist.

Im Weiteren wird ausdrücklich klargestellt, dass diese Leistungen im Rahmen der Gesamtbehandlungsverantwortung des Krankenhauses verbleiben und durch nahegelegene zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Strahlentherapieeinrichtungen erbracht werden können, soweit diese die geltenden Struktur- und Qualitätsanforderungen gewährleisten.

Fazit

Die Allgemeinverfügung schafft Rechtssicherheit und Klarheit für in Bayern zugelassene Krankenhäuser ohne eigene strahlentherapeutische Abteilung im Hinblick auf die Kostenerstattung für die durch sie veranlassten strahlentherapeutischen Leistungen Dritter. Gleichermaßen können auch Kostenträger aufgrund der klaren Vorgaben eine einheitliche und transparente Rechtsanwendung in diesen Fällen sicherstellen. Nicht zuletzt profitieren aber auch Patienten von der Allgemeinverfügung, da sie eine Kontinuität in der strahlentherapeutischen Behandlung ermöglicht. Es bleibt zu hoffen, dass die Erforderlichkeit der Schaffung einer gesetzlichen Regelung für die hier aufgezeigte und in der Praxis wichtige Fallkonstellation, sei es auf landesrechtlicher Ebene oder durch Bundesrecht in Anlehnung an die Ausnahmereglung zur Dialyse, erkannt und schnellstmöglich umgesetzt wird, um einer flächendeckenden Unterversorgung im Bereich der stationären Strahlentherapie zu begegnen.

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